Mit dem geplanten Spargesetz für den Arzneimittelbereich hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Apotheken und Hersteller eiskalt überrascht. Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening sprach von einem „Schlag ins Gesicht“. Unklar ist allerdings, wie ernst der Vorschlag überhaupt gemeint ist. Denn auch im Politikbetrieb hatte man keine Ahnung von dem Entwurf.
Mit seinem Entwurf eines Gesetzes zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, GKV-FinStG) will Lauterbach massiv im Arzneimittelbereich sparen. Alleine die Apotheken sollen über eine Anhebung des Kassenabschlags von 1,77 auf 2 Euro über zwei Jahre mit 170 Millionen Euro belastet werden. Noch gravierender sind die geplanten Einschnitte bei den Herstellern, die mit Milliardenbeträgen zur Kasse gebeten werden sollen.
Der Koalitionsvertrag habe eigentlich sehr viele Optionen für die Apotheken beinhaltet, für die man auch dankbar sei, so Overwiening. „Die pharmazeutischen Dienstleistungen sollen ausgebaut werden, die Apotheke vor Ort in ihrer Regionalität soll gestärkt werden, als Infrastrukturelement noch einmal hervorgehoben werden. Das waren für uns sehr viele Ansatzpunkte“, so die Abda-Präsidentin bei einer Diskussionsrunde auf Facebook. „Wenn also mehr Geld für die Apotheken zur Verfügung stehen soll, wie es ja auch im Koalitionsvertrag steht, dann aber ein solcher Referentenentwurf zu uns ins Haus flattert, wo den Apotheken – statt dass etwas dynamisiert wird, um eine Zukunft zu gestalten – etwas weggenommen wird von dem eh so schon sehr knappen Salär, das wir bekommen, dann ist das für die Kolleginnen und Kollegen, für uns alle auch in der Standespolitik ein Schlag ins Gesicht, eine große Enttäuschung.“
Der Entwurf habe zu großen Irritationen geführt und zu Verärgerung. Denn die Anhebung des Kassenabschlags von 1,77 auf 2 Euro für die nächsten zwei Jahre komme nicht 170 Millionen Euro gleich. „Ich weiß nicht, wer das gerechnet hat – auf jeden Fall niemand, der irgendwie Mathematik in der Schule hatte.“ Die Summen seien viel höher, da der Kassenabschlag die Mehrwersteuer beinhalte. Die geplante Absenkung auf 7 Prozent, die man grundsätzlich mittrage, führe zu einer doppelten Belastung. „Man muss also, wenn man so etwas tut, den Kassenabschlag erst einmal im Sozialgesetzbuch (SGB V) als Nettobetrag definieren, damit wir dann unabhängig sind, was unsere eigene Belastung betrifft, wenn eine Mehrwertsteuererhöhung oder -reduktion stattfindet.“
In der Kombination summiere sich die Belastung auf 38 Cent je Packung, die die Apotheken weniger bekämen. „Das ist bezogen auf die 8,35 Euro eine Reduktion um 5,5 Prozent. Das kann die Apothekerschaft so nicht tragen.“
Der SPD-Abgeordnete Dirk Heidenblut war nach eigenen Angaben noch mehr überrascht. Er habe erst kurz vor seinem Besuch bei Overwiening überhaupt davon erfahren, sagte er als Gast der Diskussionsrunde. „Das ist ein Referentenentwurf, noch kein parlamentarisches Verfahren. Insofern sind wir als Parlamentarier noch gar nicht beteiligt.“ Auch er sei bislang davon ausgegangenen, dass Reformen im Bereich der Apotheken eher in eine andere Richtung gehen sollten, gerade was die Apotheke vor Ort angehe. „Insofern bin ich verwundert, kann dazu aber noch nicht mehr sagen.“
Wusste also wirklich niemand, was Lauterbach vorhatte? Handelt es sich am Ende gar um einen internen Entwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG), der noch gar nicht für die Öffentlichkeit gedacht war? Dafür spricht, dass das Papier, das als Bearbeitungsstand auf den 4. März datiert, tatsächlich nicht offiziell an die Verbände verschickt wurde, sondern offenbar vielmehr „durchgestochen“ worden sein soll.
Eine Sprecherin der Bundesregierung erklärt auf Nachfrage: „Das BMG hat einen Entwurf für ein GKV-Finanzstabilisierungsgesetz vorgelegt, der sich derzeit noch in den Beratungen des Ressortkreises befindet. Diese Beratungen gilt es abzuwarten.“
Ob das Vorhaben tatsächlich bereits durch das Kanzleramt gestoppt wurde, wie kolportiert, bleibt zwar unklar. Die Aussage lässt aber durchaus erkennen, dass es innerhalb der Regierung noch Gesprächsbedarf gibt. Insbesondere im Finanzministerium wird man alles andere als glücklich über die geplante Absenkung der Mehrwertsteuer sein, die aus dem Koalitionsvertrag sogar noch gestrichen worden war.
Auch die Hersteller haben bereits massiven Widerstand angekündigt – und darauf hingewiesen, dass damit eine Stärkung der Produktion in Europa wohl kaum umzusetzen ist. Dem Vernehmen nach hatte man gehofft, das Vorhaben im Hintergrund beerdigen zu können. Mit der Veröffentlichung ist das Thema nunmehr aber gesetzt. Am Ende bleibt die Frage, wer welche Belastungen tatsächlich wird tragen müssen – und welche womöglich auf andere Schultern umverteilt werden.
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