Wegen eines erwarteten Rekorddefizits von 17 Milliarden Euro hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Apotheken, Hersteller und weitere Leistungserbringer zur Kasse gebeten. Im Ergebnis weisen die Kassen laut vorläufigen Zahlen nur einen Fehlbetrag von rund 1,9 Milliarden Euro aus.
Laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) standen den Einnahmen der Krankenkassen in Höhe von 304,4 Milliarden Euro Ausgaben in Höhe von 306,2 Milliarden Euro gegenüber. Reduziert wurde das Defizit durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG). Einerseits mussten die Leistungserbringer einen Sparbeitrag erbringen, andererseits waren die Kassen verpflichtet worden, 2,5 Milliarden Euro aus ihren Finanzreserven an den Gesundheitsfonds abzuführen, sodass sie zur Finanzierung der Ausgaben genutzt werden konnten. Trotzdem haben die Kassen nach wie vor 8,4 Milliarden Euro auf der hohen Kante, das entspricht rund 0,3 Monatsausgaben und damit deutlich mehr als der gesetzlich vorgesehenen Mindestreserve von 0,2 Monatsausgaben.
Der Gesundheitsfonds verzeichnete laut BMG ein zu erwartendes Defizit in Höhe von 3,3 Milliarden Euro. Die Liquiditätsreserve betrug zum 15. Januar rund 9,4 Milliarden Euro. Auch 2024 werden zusätzliche Mittel von 3,1 Milliarden Euro an die Krankenkassen ausgeschüttet, so dass mit einem weiteren Absinken zu rechnen ist.
Die Beitragseinnahmen (ohne Zusatzbeiträge) stiegen im Jahr 2023 im Vergleich zum Jahr 2022 um 5,4 Prozent. Verantwortlich für die hohen Zuwächse bei den Beitragseinnahmen sind insbesondere inflationsbedingt kräftige Lohnsteigerungen.
Die Ausgaben für Leistungen und Verwaltungskosten verzeichneten bei einem Anstieg der Versichertenzahlen von 0,9 Prozent einen Zuwachs von 5 Prozent. Die Leistungsausgaben stiegen dabei um 5,2 Prozent, die Verwaltungskosten um 1,6 Prozent, wobei es hier im Vorjahr einen Sondereffekt gegeben hatte.
Der durchschnittlich von den Krankenkassen erhobene Zusatzbeitragssatz lag zum Jahresende mit 1,51 Prozent etwas unterhalb des Ende Oktober 2022 für das Jahr 2023 bekannt gegebenen durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes von 1,6 Prozent.
Alle Kassenarten wiesen im Jahr 2023 höhere Ausgaben als Einnahmen aus. Das Defizit betrug bei den Ersatzkassen 1,1 Milliarden Euro, bei den Betriebskrankenkassen 363 Millionen Euro, bei den AOKen 225 Millionen Euro, bei der Knappschaft (KBS) 122 Millionen Euro, bei den Innungskrankenkassen 24 Millionen Euro und bei der Landwirtschaftlichen Krankenkasse 4 Millionen Euro.
Die Ausgaben sind schneller gestiegen als im Vorjahr (2022: +4,2 Prozent) – trotz GKV-FinStG schlugen laut BMG inflationsbedingt höhere Ausgaben für Personal- und Sachkosten sowie Vergütungen der Leistungserbringer zu Buche. In absoluten Zahlen stiegen die Ausgaben der Krankenkassen um 14,4 Milliarden Euro; hiervon entfielen rund 200 Millionen Euro auf den Anstieg der Verwaltungskosten.
Maßgeblich beeinflusst wurde diese dynamischere Entwicklung durch die Aufwendungen für Krankenhausbehandlungen, die im Vergleich zum Vorjahr um rund 6,1 Milliarden Euro wuchsen, ein Plus von 7 Prozent. Hierbei entwickeln sich insbesondere die Aufwendungen für stationäre psychiatrische Behandlungen. Diese stiegen um 1,1 Milliarden Euro. Das sind 13,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Ein starker Anstieg ist auch bei gebuchten Aufwendungen für die seit 2020 aus den DRG-Fallpauschalen ausgegliederten Pflegepersonalkosten zu verzeichnen – ein Plus von 1,8 Milliarden Euro oder 9,8 Prozent. Auch die Ausgaben für weitere Aufwendungen im Krankenhaus, insbesondere Somatik, stiegen deutlich um 3,2 Milliarden Euro, eine Erhöhung von 5,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Die Ausgaben für Heilmittel erleben mit 9,1 Prozent weiterhin einen Aufwuchs, der vorrangig auf Vergütungsverbesserungen für die Heilmittelerbringer zurückzuführen ist. Mit einem Anstieg von 7,3 Prozent entwickeln sich die Ausgaben für Hilfsmittel etwas dynamischer als die Gesamtausgaben. Im Bereich Krankengeld entwickeln sich die Ausgaben mit 6,4 Prozent überdurchschnittlich. Dazu trägt auch der Anstieg der krankengeldberechtigten Mitglieder in Höhe von 0,6 Prozent bei. Die Aufwendungen für Kinderkrankengeld liegen mit rund 470 Millionen Euro hingegen unter dem Niveau des Vorjahreszeitraumes, damals 540 Millionen Euro, da pandemiebedingten Sonderregelungen in 2023 ausgelaufen sind.
Der Anstieg der Arzneimittelausgaben lag mit 2,9 Prozent erstmals seit 2018 wieder deutlich unter dem durchschnittlichen Anstieg der gesamten Leistungsausgaben. Maßgeblich zu dieser moderaten Dynamik beigetragen haben die seit dem Jahresanfang 2023 wirkenden Regelungen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes. Darin war ein um 5 Prozentpunkte erhöhter Herstellerabschlag insbesondere für patentgeschützte Arzneimittel enthalten.
Die Ausgaben für ambulant-ärztliche Behandlungen sind nach den vorläufigen Rechnungsergebnissen für 2023 um 1,7 Prozent gestiegen. Dämpfend auf die Ausgabenrate in 2023 wirken insbesondere der deutliche Rückgang von Corona-spezifischen Abrechnungsziffern, zum Beispiel Testungen.
Viele kleine und mittlere Leistungsbereiche verzeichneten ebenfalls ein dynamisches Ausgabenwachstum. Deutlich überproportional gestiegen sind die Ausgaben im Bereich der Schutzimpfungen mit 13,6 Prozent sowie im Bereich der Behandlungspflege und der häuslichen Krankenpflege mit 12,2 Prozent.
„Zu Beginn der Legislaturperiode standen wir vor großen Herausforderungen. Für 2023 wurde ein Defizit für die gesetzliche Krankenversicherung von 17 Milliarden Euro erwartet. Die vorläufigen Jahresrechnungsergebnisse der Krankenkassen für 2023 machen deutlich, dass es uns mit dem Finanzstabilisierungsgesetz gelungen ist, die Finanzlage der GKV zu stabilisieren. Das verbleibende Defizit der Krankenkassen in 2023 ist aufgrund der Abführung von Kassenvermögen an den Gesundheitsfonds erwartet worden. Die Krankenkassen haben damit einen wichtigen Beitrag zur Konsolidierung der GKV-Finanzen geleistet. Gleichwohl bleibt die Stabilisierung der GKV-Finanzen eine dauerhafte Aufgabe. In unseren Bemühungen werden wir daher nicht nachlassen: Die große Krankenhausreform, die in 2025 kommen soll und die bereits verabschiedeten Digitalgesetze sind wichtige Bausteine, um durch Strukturreformen einerseits die Qualität der medizinischen Versorgung zu verbessern und andererseits die Finanzierbarkeit langfristig zu sichern“, so Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.
Die endgültigen Finanzergebnisse der Krankenkassen für das Gesamtjahr 2023 werden ebenso wie die Daten des 1. Quartals 2024 Mitte Juni 2024 vorliegen.
Das Bundesministerium für Gesundheit hat auf Basis der Prognose des GKV-Schätzerkreises vom 11. und 12. Oktober zum 1. November 2023 einen durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz für das Jahr 2024 von 1,7 Prozent bekanntgegeben. Dies entspricht einem Anstieg von 0,1 Prozentpunkten gegenüber dem für 2023 bekanntgegebenen durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz von 1,6 Prozent. Die von den Krankenkassen erhobenen kassenindividuellen Zusatzbeitragssätze können hiervon abweichen. Zum 1. Januar 2024 haben 45 Krankenkassen ihre Beitragssätze erhöht, bei 45 Krankenkassen ist der Zusatzbeitragssatz unverändert geblieben. Vier Krankenkassen konnten ihren Zusatzbeitragssatz absenken. Der GKV-durchschnittlich erhobene Zusatzbeitragssatz liegt ebenfalls bei 1,7 Prozent.
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