Einmal im Quartal machen die Krankenkassen am GKV-Tag gemeinsam auf ihre Anliegen und die ihrer Versicherten aufmerksam. Heute dreht sich alles um das Thema Prävention – und den Gesetzentwurf zur Förderung der Herz-Kreislauf-Gesundheit (Gesundes-Herz-Gesetz, kurz GHG). Zwar sind sich die Kassen einig, dass das Ministerium damit ein wichtiges Thema aufgreift, doch bei der Umsetzung hapere es: Statt auf Angebote zur Förderung von Bewegung und Ernährung setze der Minister auf Pillen, kritisieren die Kassen.
„Prävention ist eine stille Heldin. Bei ihr geht es nicht um Heldengeschichten von überraschender Heilung oder einer Rettung in letzter Minute. Prävention leistet ihren Anteil daran, dass Menschen nicht oder zumindest später krank werden, meist still und leise im Hintergrund. Auch wenn wir in der gesetzlichen Krankenversicherung alles daransetzen, dass den Kranken und Verletzten umfassend geholfen wird, ist es uns doch am liebsten, wenn Menschen aufgrund guter Präventionsarbeit gar nicht erst krank werden“, erklärt Dr. Susanne Wagenmann, Verwaltungsratsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands.
Grundsätzlich unterstützen die GKVen das politische Anliegen, die Herzgesundheit in Deutschland zu stärken. Die im aktuellen Entwurf des GHG vorgesehenen Maßnahmen seien jedoch kontraproduktiv. Das Gesetz setzt auf Kuration statt Prävention und sollte daher nicht weiter verfolgt werden, so Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek).
Nach dem Gesetzentwurf soll der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) verpflichtet werden, eine Reihe neuer Untersuchungen zur Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen einzuführen. Inhalt und Ausgestaltung dieser neuen Leistungen würden im Gesetz zum Teil bis ins Detail festgelegt. Dabei habe der G-BA bereits den gesetzlichen Auftrag, auf der Grundlage der evidenzbasierten Medizin den Nutzen, die medizinische Notwendigkeit und die Wirtschaftlichkeit aller Leistungen der GKV zu prüfen. Zudem stünden den Versicherten bereits heute regelmäßige Früherkennungsuntersuchungen zur Verfügung.
Statt Krankheiten von vornherein zu vermeiden, sollen mit dem GHG Arzneimittel, Früherkennungsmaßnahmen und Check-ups ausgeweitet werden. „Allein die Ausweitung der Medikamente für Tabakentwöhnung könnten Mehrkosten im Milliardenbereich verursachen. Hinzu kommen noch die Statine, die zukünftig auch breit zum Einsatz kommen sollen. Pillen helfen jedoch nicht, den Lebensstil zu verändern“, erklärt Elsner.
„Nicht die persönliche Meinung eines Ministers sollte über den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen entscheiden, vielmehr brauchen wir weiterhin gut abgewogene, gemeinsame Entscheidungen von Ärzteschaft, Krankenkassen und Kliniken auf einer soliden wissenschaftlichen Grundlage“, so Uwe Klemens, Vorsitzender des Verwaltungsrates.
Außerdem würden im GHG Finanzmittel, die die Krankenkassen derzeit für Primärprävention ausgeben, zur Ausweitung medizinischer Maßnahmen umgewidmet werden. Die Folge sei, dass die Krankenkassen Maßnahmen wie Bewegungsangebote, Angebote zum Stress- und Ressourcenmanagement oder zur gesunden Ernährung drastisch einschränken müssten.
„Allen Akteuren muss klar sein: Prävention ist mehr als Früherkennung und medikamentöse Intervention. Es geht darum, einen gesunden Lebensstil zu fördern, Gesundheitskompetenz aufzubauen und die Menschen zu befähigen, selbst Verantwortung für ihre Gesundheit zu übernehmen“, so Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK Dachverbandes. Ein starkes Präventionssystem fördere die Gesundheitskompetenz, schaffe gesundheitsförderliche Lebenswelten und unterstütze die Menschen dabei, ihre Gesundheit aktiv zu gestalten.
„Ein erfolgversprechender Weg, den Auswirkungen sozialer Ungleichheit auf die Gesundheit entgegenzusteuern, sind Prävention und Gesundheitsförderung in Kitas, Schulen, Betrieben und Quartieren“, fordert Sabine Deutscher, Vorstandsmitglied der AOK Rheinland/Hamburg. „Wir müssen die Menschen dort erreichen, wo sie leben. Wenn es gelingt, ein flächendeckendes Netz leicht zugänglicher Angebote zu etablieren, die ineinandergreifen, aufeinander abgestimmt sind und so zu einem gesundheitsförderlichen Alltag beitragen, dann ist viel geschafft.“
Im Jahr 2023 haben die GKVen laut GKV-Spitzenverband insgesamt 8,4 Milliarden Euro für Prävention und Gesundheitsförderung ihrer Versicherten ausgeben – rund 25 Prozent mehr als 2019. Prävention müsse als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden. Dazu gehöre eine langfristig gesicherte und angemessene Finanzierung durch Bund, Länder und Kommunen. „Finanzielle Lastenverschiebungen vom Staat auf die GKV und eine Fremdbestimmung über Beitragsmittel der Versicherten und Arbeitgebenden werden abgelehnt“, so der GKV-Spitzenverband.
Dass auch Apotheken künftig stärker in die Prävention eingebunden werden könnten, wird von den Krankenkassen heute nicht thematisiert. Zumindest erklärte Anne-Kathrin Klemm, Vorstandsmitglied des BKK Dachverbandes, kürzlich auf einer Veranstaltung: „Apotheken können viel mehr leisten: Impfungen, Erstversorgung vor der Notaufnahme, mehr pharmazeutische Dienstleistungen (pDL).“
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