Gesundheitsreform

Kassen eröffnen Milliarden-Poker dpa, 28.12.2009 14:29 Uhr

Berlin - 

Vor Beginn der Verhandlungen über eine neue Gesundheitsreform machen die Krankenkassen Front gegen zentrale Punkte und warnen vor Finanzproblemen. Trotz bevorstehender Zusatzbeiträge für die Versicherten drohe der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) eine Verschärfung ihrer Finanzlage, sagte die Vorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Dr. Doris Pfeiffer, der Deutschen Presse-Agentur.

Zusatzbeiträge bei vielen Kassen seien wegen des GKV-Defizits von fast vier Milliarden Euro im kommenden Jahr gewiss. „Rücklagen, die vorhanden sind, werden zum Jahresende bei vielen weitgehend aufgebraucht sein“, sagte Pfeiffer.

Angesichts wachsender Haushaltsnöte des Bundes warnte Pfeiffer vor einer neuen Finanzklemme. „Die Lage der Kassen wird wieder schwieriger.“ Schon bald zeichne sich möglicherweise ein weiterer Kostenschub für 2011 ab, zumal die 3,9 Milliarden Euro, die 2010 für Ausfälle in der Krise zusätzlich vom Bund kommen, einmalig seien. „Danach beginnt die Schuldenbremse. Da kann es für den Staat noch schwerer werden, genügend Mittel zur Verfügung zu stellen“, sagte Pfeiffer. „Steuerzuschüsse sind variabel, je nach Haushaltslage. Sie sind nicht auf Dauer gesichert.“

Sinkende Zuschüsse würden aber rechnerisch zu höheren Beiträgen oder Leistungskürzungen führen, wenn nicht bei Ärzten, Kliniken und der Pharmaindustrie gespart werde. Bereits 2010 seien wegen des Defizits Zusatzbeiträge von in der Regel acht Euro gewiss, sagte Pfeiffer. Allerdings müsse jede Kasse prüfen, ob die Obergrenze von 1 Prozent des Einkommens eingehalten wird. „Es kann sein, dass einzelne Kassen wegen höherer Bedarfe darüber hinausgehen müssen“, sagte Pfeiffer. Das Maximum sind 37,50 Euro im Monat.

Scharf wies Pfeiffer Koalitionsüberlegungen für mehr Festzuschüsse zurück. Patienten müssten demnach - wie heute schon beim Zahnarzt - auch bei anderen Behandlungen Mehrkosten möglicherweise selbst tragen. „Die Festzuschüsse halte ich für einen sehr gefährlichen Weg“, warnte sie. „Selbst wenn der Zuschuss zunächst alles abdeckt, werden künftige Verteuerungen nicht abgedeckt.“ Schon heute zahlten die Kassen nicht für Luxus. Grundsätzlich sinnvolle Diagnoseverfahren und Therapien würden heute hingegen oft unnötig oder zu schlecht durchgeführt.

Deutlich wandte sich Pfeiffer gegen Pläne, dass mehr gesetzlich Versicherte ihren Arzt künftig selbst bezahlen und sich das Geld dann von ihrer Kasse zurückholen sollen. Dies soll die Kosten-Transparenz erhöhen. „Wir sollten das Sachleistungsprinzip stabilisieren“, hielt Pfeiffer entgegen. „Ein Kranker sollte nicht in die Situation kommen, ständig Kosten vergleichen zu müssen.“ Die Kassen bräuchten mehr Freiheit für Verträge mit Ärzten, Kliniken und Pharmaherstellern.

Die Kassen fordern Mitsprache bei der für Jahresanfang geplanten Regierungskommission. Mit ihr will Gesundheitsminister Dr. Philipp Rösler (FDP) die Reform ausarbeiten. „Ich gehe davon aus, dass wir in der Kommission auch entsprechende Beratung zuliefern können“, sagte Pfeiffer. Mit Blick auf das Kernziel einer Gesundheitspauschale zeigte sich die Verbandschefin skeptisch: „Ich bin froh, dass man nicht auf die Schnelle ein Modell verabschiedet, was vielleicht neue Probleme aufwirft.“