Bundesversicherungsamt

Kassen dürfen Patienten nicht abwimmeln

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Berlin -

In jüngster Zeit hat sich das Bundesversicherungsamt (BVA) häufig und intensiv mit den Krankenkassen und deren Leistungen für die 73 Millionen Versicherten befasst. Kritisiert wurden unter anderem Hausarztvertäge oder die Stomaversorgung. Aktuell wirft das BVA den Kassen vor, mit den Widersprüchen von Versicherten nicht ordnungsgemäß umzugehen und diese zum Nachteil der Patienten abzulehnen. Es darf laut BVA aber auch keine „Kulanzentscheidungen“ zugunsten der Versicherten geben.

Die Kassen würden bei der Widerspruchsbearbeitung „nur unzureichend“ Vorschriften des Sozialgesetzbuches beachten, heißt es in einem Rundschreiben der Aufsichtsbehörde an alle Kassenchefs. Es gebe „grundsätzliche verfahrensrechtliche Mängel in der Bearbeitung“ der Widersprüche. Das BVA weist die Kassen „einzelfallbezogen regelmäßig auf Fehler in der Widerspruchsbearbeitung hin.

Grundlage für die Entscheidungen der Kassen muss laut BVA „ausschließlich“ das Leistungsrecht des Sozialgesetzbuches (SGB V) sein. Die Kassen dürften auch nicht freihändig zugunsten der Versicherten in Streitfällen entscheiden. Es sei „nicht rechtskonform, unter Berufung auf den Einzelfall oder aus ‚Kulanz‘ Leistungen zu gewähren“, die über den Leistungskatalog hinausgingen.

Das BVA warnt die Kassen aber vor allem davor, bei Widersprüchen von Versicherten auf Zeit zu spielen oder anderweitig zu beeinflussen: Es komme „nicht selten vor“, dass Kassen bei Patienten direkt nachfragten, ob sie den Widerspruch nicht zurücknehmen wollten. Dies verunsichere gerade ältere Patienten und könne diese einschüchtern.

Anrufe bei Patienten wegen eingelegter Widersprüche müssen laut BVA daher einen konkreten Anlass haben, beispielsweise ein neues Gutachten des Medizinischen Dienstes (MDK) mit neuen Sachverhalten. Anrufe „ohne relevanten Anlass“ seien „nicht zulässig“. Häufige Nachfragen der Krankenkassen könnten bei Versicherten den Eindruck erwecken, der Einspruch hätte keine Erfolgsaussichten. Versicherte dürften zudem bei Anrufen nicht „in eine bestimmte Richtung gedrängt“ werden.

Versicherte dürften von den Kassen bei der Ausübung ihres Rechts auf Widerspruch nicht behindert werden, warnt das BVA. Eine aktive Mitwirkung des Versicherten sei nicht daher erforderlich und könne auch nicht eingefordert werden. Das Verfahren müsse auf jeden Fall entschieden werden.

Die Widerspruchsverfahren dürften laut BVA von den Kassen auch nicht gezielt in die Länge gezogen werden, um die Patienten glauben zu lassen, dieses habe sich erledigt. Dies gelte insbesondere für Versicherte, deren Krankheitsbild eine rasche Entscheidung als Voraussetzung für medizinische Hilfe erfordere. Über Widersprüche müssten die Kassen laut BVA daher „grundsätzlich drei Monate nach Einlegung“ entschieden haben.

Viele Kassen verzichten laut BVA außerdem auf eine Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid über den Widerspruch. Dadurch wüssten Versicherte nicht, dass sie dagegen weiter juristisch vorgehen könnten. Alle Bescheide müssten einen entsprechenden Hinweis enthalten. Patienten könnten sich neben dem Widerspruch bei ihrer Kasse auch direkt an das BVA wenden. Im Jahr 2016 wurden 25,8  Prozent der beim Bundesversicherungsamt eingereichten Beschwerden über die Kassen zugunsten der Patienten entschieden. Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) registrierte im vergangenen Jahr 98.357 Beratungsfälle von Kassenpatienten – 30.305 (44,5 Prozent) mehr als 2016.

Zuletzt hatte sich das BVA auch mit den Hausartzverträge befasst: Fallzahlenabhängige Honorare sind danach unzulässig und dürfen ab 31. August nicht mehr gezahlt werden. Damit soll das sogenannte Diagnose-Upcoding verhindert werden, das den Kassen höhere Zuschüsse aus dem Risikostrukturausgleich (RSA) einbringt. In dem Rundbrief an Krankenkassen und das Bundesgesundheitsministerium (BMG) stellt das BVA klar: „Die Aufsichtsbehörden sind der Auffassung, dass die Höhe der Vergütung für eine vertragli­che Leistung nicht in Abhängigkeit von der Anzahl der dokumentierten Diagnosen variieren darf.“ Somit stünden die in den HzV-Verträgen üblicherweise enthaltenen Chroni­kerpauschalen mit der Beschlusslage nicht in Einklang.

Kürzlich ging das Bundesversicherungsamt (BVA) gegen die Stoma-Versorgung der Barmer und der DAK-Gesundheit vor. Beide Kassen mussten Heil- und Hilfsmittelausschreibungen zu Atemtherapiegeräten und zur Stoma-Versorgung sofort aufheben. Gleichzeitig hatte die Aufsicht den Kassen untersagt, einen Zuschlag zu erteilen. „Aus Sicht des BVA ist die von der Barmer durchgeführte Ausschreibung von CPAP-Geräten aufgrund des mit der Versorgung verbundenen hohen Dienstleistungsanteils nicht zweckmäßig“, begründete ein BVA-Sprecher die Maßnahme.

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