Thomas Dittrich, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV), hat zur Eröffnung der Expopharm in München deutliche Kritik am Bundesgesundheitsministerium geäußert: Das Spargesetz von Minister Karl Lauterbach (SPD) habe den Berufsstand befremdet. Den Krankassen warf er vor, das System der Selbstverwaltung zu untergraben. Und die Kommunikation einiger Vertreter der Ärzteschaft empfindet Dittrich als teilweise unter der Gürtellinie.
„Unser gesamtes Gesundheitswesen leidet unter fundamentalen Belastungen und steht vor immer neuen Aufgaben“, sagt Dittrich zur Eröffnung der Fachmesse, die von heute bis Samstag in München stattfindet. Herausforderungen im Gesundheitswesen hätten zwangsläufig eine andere Dimension als in anderen gesellschaftlichen Bereichen: „So haben Lieferengpässe bei Medikamenten eine ganz andere Bedeutung als bei Fernsehern oder auch bei Chips für NFC-fähige Krankenversichertenkarten, denn sie gefährden unter Umständen die Gesundheit und das Leben. So haben Personalnotstände in der Pflege und in den Apotheken eine andere Relevanz als in anderen Bereichen.“
Dittrich kam auf die Belastungen der Apotheken zu sprechen: Die durchschnittliche Apotheke verbringe inzwischen mehrere Stunden pro Woche mit der Bearbeitung von Lieferengpässen. „Kostenpunkt pro Jahr pro Apotheke: Konservativ gerechnet rund 15.000 Euro“, so Dittrich. Umgerechnet auf alle Apotheken in Deutschland seien das Kosten in Höhe von fast 260 Millionen Euro jährlich.
Bei der Einführung des E-Rezepts habe Dittrich die Apotheken stets in der Vorreiterrolle gesehen. Dafür erwarte man von der Politik, dass das Vertrauen in die Zugangswege der Token nicht untergraben wird. Die Gematik-App, der Papierausdruck und künftig der Abruf über die elektronische Gesundheitskarte (eGK) seien sichere Wege. „Jetzt wegen vermeintlicher Vereinfachung in den Arztpraxen noch weitere Alternativen der Tokenübermittlung ins Gespräch zu bringen, mit denen sich aber dann das Zuweisungs- und Makelverbot umgehen lässt, das ist kontraproduktiv“, so Dittrich. In Schleswig-Holstein hatten viel Kassenärzte auf einen Versand des Tokens per Mail gesetzt. Nach Kritik der Landesdesdatenschutzbeauftragten war die KVSH aus dem Roll-out ausgestiegen.
Welche Rolle die DAV-eigene Plattform Gedisa, die Dittrich als vollen Erfolg bezeichnete, bei der Einlösung von E-Rezepten spielen wird, ist ungewiss. Schließlich setzt sich die Abda selbst gegen eine Einbindung von Plattformen ein. Abda-Präsidentin Gabriele Overwiening hatte unlängst bei der Zukunftskonferenz VISION.A bestätigt, dass damit auch die Gedisa in ihren Möglichkeiten beschnitten wird.
Kritik äußerte Dittrich am Verhalten der Krankenkassen in den Verhandlungen mit dem DAV: Ob bei der Mitwirkungspflicht der Apotheken bei Arzneimittelrückrufen, den Pharmazeutische Dienstleistungen oder der Abrechnung von BfArM-Cannabis – immer habe der GKV-Spitzenverband die Schiedsstelle angerufen. „Eine Inflation der anderen Art. Wenn sich hier nichts ändert, dann können wir eigentlich auch das Verhandeln abschaffen und gleich alles in die Schiedsstelle geben. So schafft sich die Selbstverwaltung selbst ab.“
„Leider destruktiv“ und zum Teil unter der Gürtellinie verhielten sich auch einzelne Vertreterinnen und Vertreter der Ärzteschaft, vor allem aus Hessen, beim Thema pharmazeutische Dienstleistungen und Impfen, so Dittrich weiter. „Man kann ja unterschiedlicher Meinung sein, aber trotz Meinungsverschiedenheiten sollte immer das gemeinsame Ziel – die Versorgung der Patientinnen und Patienten – im Blick behalten werden.“
Bedauerlicherweise lasse auch die Kommunikation mit dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz zu wünschen übrig. „Nicht nur die Art und Weise, wie das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz präsentiert wurde, sondern auch dessen Inhalt befremdet uns erheblich.“ 120 Millionen Euro netto pro Jahr würde die Apotheken die Erhöhung des Apothekenabschlags kosten. Im gleichen Atemzug spreche Minister Lauterbach von 1000 Gesundheitskiosken – bezahlt von der GKV mit einer halben Milliarde Euro jährlich.
Die Apotheken benötigten dringend eine Dynamisierung des Fixhonorars, um die enorm gestiegenen und weiter steigenden Kosten für Personal, Energie, Zinsen und vieles andere mehr abzufangen, so Dittrich. „Wir haben keinerlei Kompensationsmöglichkeit. Wir brauchen eine bessere Vergütung statt zusätzlicher Beschneidungen.“
Kritik äußerte Dittrich auch am Dispensierrecht für Ärzt:innen bei Paxlovid. Wenn das Covid-19-Präparat zu selten eingesetzt werde, so liege dies nicht am Versorgungsweg und schon gar nicht an der Geschwindigkeit der Versorgung über die Apotheken, sondern an den zögerlichen Verordnungen. „Und dieses Problem löst man doch nun wirklich nicht dadurch, dass man ein solches Medikament gleich in der Arztpraxis mitgibt.“
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