Der Rückhalt für die Umsetzung eines Rx-Versandverbots schwindet in den Reihen der CDU/CSU immer mehr: Jetzt hat sich mit Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) ein führendes Mitglied der Bundesregierung ablehnend zum Verbot geäußert: „Ich bin da sehr traurig drüber“, sagte Braun beim Digitalkongress der Stiftung Marktwirtschaft. Gemeint war damit die Absichtserklärung zur Einführung des Rx-Versandverbots im Koalitionsvertrag. Auch die Mittelstandsvereinigung der Union lehnt ein Rx-Versandverbot ab.
Braun hat sich laut Kanzleramt bereits lange bevor er in seine heutige Funktion kam im Zusammenhang mit dem Urteil des EuGH zur Rx-Preisbindung dafür ausgesprochen, „die entstandene deutliche Benachteiligung inländischer Apotheken durch die Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen statt durch ein Versandhandelsverbot zu korrigieren“. Bei der Konferenz habe er im Kontext der Veränderung von Geschäftsmodellen durch Digitalisierung verdeutlicht, dass sich „an dieser Haltung nichts geändert hat, sich daraus aber keine Implikationen für die Abarbeitung des Koalitionsvertrages ergeben“.
Auch wenn Braun formal zum Koalitionsvertrag steht, wird seine öffentliche Äußerung als politische Signal gewertet. Schließlich gilt Braun als enger Vertrauter von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Seit 2013 war er als Staatsminister im Kanzleramt die rechte Hand der CDU-Chefin. Nach seinen Aussagen ist das Rx-Versandverbot in der Union umstritten – die Gegner dürften sich durch diese öffentlichen Aussagen nun erneut gestärkt fühlen.
Bemerkenswert in diesem Zusammengang ist außerdem, dass Brauns Aussagen zum Rx-Versandverbot über den engen Teilnehmerkreis des Digitalkongresses hinaus über Twitter von Thorsten Alsleben, dem Hauptgeschäftsführer der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU (MIT), bekannt gemacht wurden.
Die MIT ist mit mehr als 25.000 Mitgliedern der stärkste und einflussreichste parteipolitische Wirtschaftsverband in Deutschland. Chef ist der CDU-Abgeordnete Dr. Carsten Linnemann. 157 der 246 Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion sind MIT-Mitglieder; damit ist sie eine der größten und einflussreichsten Interessengruppen innerhalb der Union im Bundestag.
Im vergangenen Wahlkampf hatte die Gesundheitskommission der MIT eine Vorlage für ein Positionspapier erarbeitet. Darin sprach man sich für ein Rx-Versandverbot aus. Die Vorlage wurde aber nicht übernommen, weil es im Vorstand dafür keine Mehrheit gab.
Laut Alsleben gibt es nach wie vor keine offizielle MIT-Positionierung. Dem Vernehmen nach sollen die Mitglieder Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu verstehen gegeben haben, dass sie ein Rx-Versandverbot nicht mittragen werden. Das will Alsleben so nicht bestätigen, allerdings herrsche die Meinung vor, dass die Bevorzugung ausländischer Versandapotheken durch das EuGH-Urteil beendet werden müsse. Ein Rx-Versandverbot sei dafür aber nicht die richtige Antwort.
Als Kanzleramtsminister sitzt Braun an den Schalthebeln der Macht. Sein Büro liegt im 7. Stock des Kanzleramtes, nur wenige Schritte von Merkels Amtszimmer entfernt. Gemeinsam mit der Staatsministerin für Digitales, Dorothee Bär von der CSU, leitete Braun die Arbeitsgruppe Digitales.
Mit rund 600 Mitarbeitern und einem aktuellen Jahresetat von 2,9 Milliarden Euro koordiniert er die Regierungspolitik, steht im Austausch mit den Ministerien, mit dem Bundestag und den Bundesländern. Im Streitfall muss Braun schlichten.
Braun studierte Humanmedizin an der Justus-Liebig-Universität in Gießen und arbeitete eine Zeit lang als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Schmerztherapie am Universitätsklinikum Gießen und Marburg. 2002 führe in sein politisches Engagement in den Bundestag.
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