In der Hauptstadt stehen Ende März Kammerwahlen an und die Wiederwahl von Kammerpräsident Dr. Christian Belgardt nach nunmehr zwölf Jahren Amtszeit ist alles andere als ein Selbstläufer. Es formiert sich eine neue Opposition, die Delegiertenversammlung wird um zwei Fraktionen wachsen. Ein wahltechnischer Lapsus hatte beim letzten Mal dazu beigetragen, dass Belgardt Präsident blieb – das dürfte sich dieses Jahr nicht wiederholen.
Die Beteiligten versuchen zwar keine allzu hohen Erwartungen zu wecken, aber dass sich in der Delegiertenversammlung die Mehrheitsverhältnisse ändern, ist absehbar. Aus drei Listen und einem einzelnen Abgeordneten werden fünf Listen – wie diese die 45 Sitze unter sich aufteilen, ist allerdings mangels belastbarer Prognosen noch nicht absehbar. Bisher hat Belgardts Liste 4, „Offizin-Apotheke“, die absolute Mehrheit von 23 Sitzen. Das erneut zu erreichen, wird schwer.
Belgardts Liste bekommt gleich in zweierlei Hinsicht neue Konkurrenz: Zum einen gibt es mit Annette Dunin von Przychowski eine „Abtrünnige“, die gute Chancen hat, mit ihrer neuen Liste „Hauptstadtapotheker“ die Stimmen eines beträchtlichen Anteils der 5500 wahlberechtigten Apotheker einzusammeln. Zum anderen hat Dr. Björn Wagner anders als bei den letzten Wahlen Mitstreiter um sich geschart – und hat deshalb mit seiner Liste 1 gute Chancen, diesmal alle Sitze zu erhalten, die ihm zustehen.
Das war nämlich vor vier Jahren nicht der Fall: Wagner war 2015 mit seiner Liste „Apotheker-/innen aus Wissenschaft, Industrie und Verwaltung“ (WIV) de facto als Einzelkandidat angetreten. Mit den 11,6 Prozent erhielt er dann aber genug Stimmen für fünf Sitze – und keiner wusste so recht, was mit den restlichen Plätzen anzufangen war. In der Satzung war eine solche Situation nämlich gar nicht geregelt. Also wurden die vier übrigen Plätze auf die weiteren Listen verteilt: Zwei davon gingen an Belgardts Liste und sicherten ihm die absolute Mehrheit. Was künftig in einem solchen Fall geschehen soll, sollte später eine Arbeitsgruppe zur Reform der Wahlregeln herausfinden.
„Hätte Wagner damals schon fünf Leute gehabt, wäre es für Belgardt eng geworden“, erinnert sich Dr. Kerstin Kemmritz. „Gereicht hätte es aber wahrscheinlich trotzdem irgendwie. Dennoch sind die Wähler damals ein Stück weit verschaukelt worden.“ Kemmritz ist Listenführerin der Liste 2, der „Allianz Aller Apotheker“, und eine der lautesten Oppositionsstimmen in der Delegiertenversammlung. Sie plädiert für einen Wandel an der Kammerspitze. „Herrn Belgardt würde ich nicht nachweinen“, sagt sie trocken. Unter ihm habe sich die Kammer in den vergangenen Jahren in eine falsche Richtung entwickelt, kritisiert sie. „Die Kammer sollte eher ein Dienstleister für ihre Zwangsmitglieder sein als ein Kontrollorgan.“ Auch mit der Amtsführung des Vorstands ist sie unzufrieden. „Es gibt wenig Informationen, man wird selten nach seiner Meinung gefragt, Mitarbeit ist nur gewünscht, wenn man von der eigenen Liste kommt – außer man wird dringend gebraucht. Und das ist natürlich nicht ganz fair“, so die Inhaberin der Falken-Apotheke Weißensee.
Mit der Informationspolitik nach innen hört es nicht auf, auch nach außen sieht sie einigen Verbesserungsbedarf. Die Kontakte zur Politik müssten wieder gestärkt werden, außerdem wolle sie den Ausschuss für Öffentlichkeitsarbeit, der unter Belgardts Ägide abgeschafft wurde, wieder einrichten und die Transparenz der Kammer verbessern. „Wenn sie auf die Internetseite gehen und nur Verlautbarungen des Kammerpräsidenten sehen, dann ist das doch wie bei der Prawda“, kritisiert sie. Belgardt selbst hat für dieser Kritk keinerlei Verständnis: „Es wundert mich schon, was andere Leute für intransparent halten“, sagt er auf Anfrage. “Transparenter als wir geht überhaupt nicht.“
Und dann hat sie noch einen ganz grundlegenden Einwand gegen weitere vier Jahre Belgardt: „Es wäre auch mal Zeit für eine Frau an der Spitze.“ Sie selbst vielleicht? „Ich wäre dazu genauso bereit wie alle anderen Listenführer, wenn die Mehrheitsverhältnisse passen“, sagt sie diplomatisch. Weniger Hoffnungen darauf, Belgardt zu beerben, macht sich Kollegin Annette Dunin von Przychowski, die dieses Jahr mit einer neuen Liste antritt. „Wenn man sieht, wie viele Listenmitglieder die einzelnen Listen haben, wird es für uns wohl schwerlich möglich sein, den Kammerpräsidenten zu stellen“, sagt sie.
Acht Gleichgesinnte haben sich auf Dunins Initiative hin auf der Liste „Hauptstadtpotheker“ zusammengetan – von insgesamt 127 Kandidaten, die sich zur Wahl der Delegiertenversammlung haben aufstellen lassen. Sie wollen eine Lücke füllen: die Interessenvertretung der angestellten Apotheker. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Kammer, dass es solch eine reine Angestelltenliste gibt. „Es kann nicht sein, dass die größte Gruppe der Apotheker ihre Stimme nicht erhebt“, sagt Reik Hofmann, der auf Listenplatz 5 kandidiert. Er schiebt aber auch gleich hinterher: „Ein Aufstand der Angestellten gegen die Inhaber soll das aber trotzdem nicht sein. Wir wollen eine konstruktive Zusammenarbeit mit allen anderen Gruppen.“
Kemmritz weiß noch nicht genau, was sie von der neuen Konkurrenz halten soll. „Ich denke, dass die Angestellten keine sonderlich anderen Interessen haben, als Apotheker in der Industrie oder Inhaber“, sagt sie. „Aber prinzipiell ist es natürlich nicht schlecht, wenn etwas Leben in die Bude kommt.“ Die Meinung des Kammerpräsidenten ist da eindeutiger: Die neue Liste baue Gegnsätze zwischen Inhabern und Angestellten auf, die es so bei seiner Liste nicht gebe. „Wir sind Apotheke pur, wir sitzen alle in einem Boot.“
Bei der letzten Wahl war Dunin noch als Listenführerin der „Aktiven Apotheker*innen“ angetreten. Der Wechsel von Platz 1 auf eine andere Liste ist ungewöhnlich. Ihr sei, so erklärt sie, durch mehrere Arbeitsplatzwechsel bewusst geworden, „wie wenig Unterschiede es nach Außen erkennbar zwischen den einzelnen Listen gibt“. Die einzelnen Berufsfelder würden sich in der Arbeit der Listen wiedererkennen wollen, das spräche eher für einzelne Berufsfelder-Listen wie Wagners WIV oder eben die Hauptstadtapotheker.
Dass es nicht nur strukturellen Erwägungen gelegen haben kann, lässt sie dennoch durchblicken. „Es haben sich Wechsel von Listenmitgliedern ergeben, die ich kontraproduktiv für die Unabhängigkeit meiner alten Liste empfunden habe“, so die Filialleiterin der Quartier-Apotheke in der Goltzstraße. Auf Belgardt lässt sie anders als Kemmritz jedoch nichts kommen. Er mache seine Arbeit sehr gut. „Aber er könnte noch besser werden, wenn er weniger Moderator und mehr Gestalter in Zusammenarbeit mit dem Vorstand und der DV werden würde. Es wird zu wenig in der DV diskutiert“ – was aber wiederum nicht nur an Belgardt liege.
Was passiert also, wenn die Offizin-Apotheker ihre Mehrheit verlieren? „Es wird nach der Wahl Koalitionsverhandlungen geben und man wird sehen, wo die meisten Übereinstimmungen sind“, so Dunin. „Wenn man sich die Wahlprogramme ansieht, können ja auch prinzipiell alle mit allen“, stimmt Kemmritz prinzipiell zu. „Aber manche Koalitionen sind nicht so wahrscheinlich wie andere“, legt sie verschmitzt nach. Auch eine Koalition für mit Liste 5, den „Aktiven Apotheker*innen“, steht sie skeptisch gegenüber, obwohl die mit Maximilian Buche einen neue Führung haben und das, was der sagt, ganz vernünftig klingt.“
Die Karten könnten also am 20. März neu gemischt werden und wer dann gewinnt oder verliert, steht noch nicht fest – genauso wenig, ob sich die kritische Masse findet, um Belgardt abzulösen. Der Kammerpäsident selbst will keine Einschätzung zu seinen Chancen abgeben. „Ich trete natürlich an, um gewählt zu werden“, sagt er. „Aber der Souverän entscheidet, nicht ich.“ Da stimmt auch Dunin zu. „Das wird dieses Mal richtig spannend“, sagt sie.
Anmerkung: In einer früheren Version des Artikels stand, Frau Annette Dunin von Przychowski sei 2015 bei der Wahl zur Delegiertenversammlung der Apothekerkammer Berlin für die Liste „Offizin-Aptoheke“ angetreten, tatsächlich war es die Liste „Aktive Apothker*innen“. Der Fehler wurde korrigiert.
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