Im Kammerwahlkampf werden normalerweise Briefe und mitunter Süßigkeiten verschickt. In Hessen geht Liste 6 einen anderen Weg: Sie besucht Apotheken um zu erfahren, wo der Schuh wirklich drückt. Gleichzeitig gehen die beiden Spitzenkandidaten offen auf Distanz zur Kammer, deren Vorstand sie seit Jahren angehören.
Die Idee, Apotheken im Kammerbezirk zu besuchen, kam Inititator Dr. Nojan Nejatian von der Heegbach-Apotheke in Erzhausen, nachdem die amtierende Kammerpräsidentin Ursula Funke eine Einladung seinerseits abgesagt hatte. „Die Kammer muss sich doch der Basis widmen. Wenn ich die Interessen der Mitglieder vertreten will, muss ich ihnen zuhören und wissen, wo der Schuh drückt.“
Zehn Apotheken haben die Kandidatinnen und Kandidaten von Liste 6 im Rahmen ihrer Kampagne „On Tour!“ bereits besucht – von Bad Homburg bis Wiesbaden. Nejatian und seiner Mitstreiter haben nicht nur schöne Fotos für den Wahlkampf gemacht, sondern auch die größten Wünsche und Sorgen aufgeschrieben. Oft geht es in den Gesprächen um politische Forderungen, aber auch um Probleme mit Lieferverträgen und um die Arbeit der Kammer.
Was Nejatian erreichen will: „Wir sammeln jetzt unsere Hausaufgaben ein für die Zeit nach der Wahl.“ Die nächsten Besuche stehen schon auf dem Programm; jede Kollegin und jeder Kollege, der ebenfalls Interesse hat, darf sich gerne bei der Liste melden. „Wir bringen auch unseren Kuchen mit“, sagt er augenzwinkernd.
Unterdessen haben seine Mitstreiter Dr. Cora Menkens (Hirsch-Apotheke, Bad Homburg) und Dr. Sebastian Barzen
(Kastell-Apotheke, Heidenrod) einen erstaunlichen Brief an die Apothekerinnen und Apotheker verschickt. Beide sind im amtierenden Vorstand, der unlängst die Kritik von Liste 7 als „unwahre Behauptungen“ zurückwies, äußern sich aber durchaus kritisch über die Arbeit des Gremiums.
„Die Landesapothekerkammer Hessen muss sich für die Interessen der Mitglieder noch viel stärker und gezielter einsetzen als bisher. Die notwendigen Mittel dafür sind vorhanden – bisher fehlte es am Willen der Kammerführung“, so Menkens und Barzen, ohne konkrete Namen zu nennen.
In den mittlerweile knapp zehn Jahren, denen man dem Kammervorstand angehöre, „haben wir feststellen müssen, dass die Entscheidungsfindung unter der bisherigen Führung teilweise wenig demokratisch abläuft“, so die beiden Spitzenkandidaten. „Dies muss sich ändern!“
Als Beispiele nennen sie die Neugestaltung der Notdienste und die Berechnung der neuen Kammerbeiträge: „Beide Reformen konnten wir als Mitglieder des Vorstands nicht aktiv mitgestalten. Sie wurden uns selbstverständlich erklärt, aber aus unserer Sicht hätte man gemeinsam im Vorstand die Interessen der Apotheken noch besser herausarbeiten können, um sie dann mit der juristischen Abteilung der LAK abzustimmen und nicht umgekehrt. Aus unserer Sicht sollten bei zukünftigen Entscheidungen die pharmazeutischen Argumente eine stärkere Gewichtung bekommen.“
Auch das Fortbildungsangebot wolle man stärken und nicht weiter auszudünnen. „Wir müssen unsere Fortbildungen – sofern sinnvoll – auch für PTA öffnen und ihnen einen einfachen und für die Kammer unbürokratischen Anmeldeprozess ermöglichen. Davon kann derzeit keine Rede sein.“ Auch der mehrmonatige Ausfall des Stellenmarktes auf der LAK-Homepage dürfe sich nicht wiederholen, „gerade in diesen Zeiten, wo viele Apotheke händeringend Personal suchen“.
Hohe Priorität habe schließlich eine schnellere Fachsprachenprüfung ausländischer Apotheker, damit diese schnellstmöglich den öffentlichen Apotheken zur Verfügung stünden. „Teilweise warten die neuen Kollegen wochenlang auf ihren Prüfungstermin, vom Erwerb der Approbation ganz zu schweigen. Wir werden uns gemeinsam mit dem Hessischen Apothekerverband (HAV) für eine pragmatische Lösung einsetzen.“
Überhaupt stehe man für eine enge Zusammenarbeit mit dem HAV und unterstütze dessen „hessischen Weg“, der einen sehr großen Anteil daran habe, dass das Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) nicht umgesetzt wurde. „Wir sind bereit für weitere Proteste – wenn andere Institutionen nicht mitziehen, eben nur in Hessen. Natürlich sehen wir auch Reformbedarf für die Apotheken und sind bereit für neue Dienstleistungen der Apotheken. Auf jeden Fall benötigen wir aber eine gesicherte Finanzierung unserer Hauptaufgabe: die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln.“
Zwar lautet das Motto von Liste 6 „Evolution statt Revolution“. Aber die Richtung ist eindeutig: Die Kammer müsse „dringend stärker die Funktion eines Dienstleisters übernehmen, der den Apothekern mit Rat und Tat zur Seite steht“, so Menkens und Barzen. Denn sie sei laut Satzung „die Standesvertretung der Apotheker im Lande Hessen“. „Wir möchten keine Behörde mit erhobenem Zeigefinger, sondern setzen auf eine kollegiale Zusammenarbeit.“