Auswirkungen auf die Abda

Kammerwahl in Hessen: Kommt der Umsturz?

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Berlin -

Bei der Landesapothekerkammer Hessen (LAK) wird demnächst eine neue Delegiertenversammlung gewählt. Es wird spannend: Eine neue Liste 7 will die amtierende Kammerpräsidentin Ursula Funke stürzen; der Ausgang könnte auch Folgen für die Abda-Wahlen im Dezember haben.

Zwar steht der Wahlkampf in Hessen unter den aktuellen gesundheitspolitischen Herausforderungen; tatsächlich geht es jedoch vor allem um die künftige Ausrichtung der Kammer. In den vergangenen Jahren war zunehmend Kritik laut geworden, dass sich die Standesvertretung nicht ausreichend um die Interessen ihrer Mitglieder kümmere, sondern teilweise regelrecht gegen sie arbeite. Das wird von der amtierenden Spitze natürlich dementiert. Insbesondere die neuen Kandidatinnen und Kandidaten sehen aber erheblichen Reformbedarf.

Rund 7000 Kammermitglieder können vom 26. November bis 5. Dezember an der Briefwahl teilnehmen, am 6. Dezember sollen die Ergebnisse ausgezählt werden. Bei der letzten Wahl vor fünf Jahren waren 2300 Stimmen abgegeben worden, die Wahlbeteiligung lag gerade einmal bei 33 Prozent. Für die Listen geht es also darum, möglichst viele Unentschlossene zu mobilisieren.

Die Wahl ist auch deswegen so spannend, weil sie das Geschehen auf Bundesebene prägen könnte. Während Funke als amtierende Kammerpräsidentin klar auf Abda-Linie ist, tritt insbesondere die neue Liste 7 für Veränderungen in der Standesvertretung an – erst bei der Kammer, dann aber auch in der Berufspolitik insgesamt. Auch Liste 6 verspricht einen kritischeren Diskurs gegenüber der Abda.

Da der Wahlausgang derzeit vollkommen offen ist, dürfte Funke auf eine neue Kandidatur bei den kurz zuvor stattfindenden Wahlen für den Vorstand der Bundesapothekerkammer (BAK) verzichten, obwohl sie derzeit Vizepräsidentin ist. Nur bei den erst im Dezember folgenden Abda-Wahlen könnte sie noch in den Hut ihren Ring werfen und Nachfolgerin des bisherigen Vize Mathias Arnold werden. Zuvor aber muss sie ihr Amt als Kammerpräsidentin verteidigen.

Ursula Funke will Kammerpräsidentin bleiben – und womöglich auch Abda-Vize werden.Foto: Abda

Sieben Listen

Funke steht seit 2015 an der Spitze der Kammer, bei der letzten Wahl vor fünf Jahren holte sie mit ihrer Liste 1 „Für die Zukunft der Apotheker“ sieben der insgesamt 28 Sitze in der Delegiertenversammlung. Mit Funke sowie Dr. Otto Quintus Russe (Abyou) stellt die Liste aktuell zwei Vorstandsmitglieder, in diesem Jahr tritt sie unter dem Namen „Unsere Zukunft gemeinsam gestalten“ an. Zu den weiteren Mitgliedern gehören unter anderem Erik Modrack und Daniela von Nida.

Liste 2 nennt sich „Aktive Liste für Nordhessen“ und ist aktuell mit drei Sitzen in der Delegiertenversammlung und einem im Vorstand vertreten. Obwohl es sich also um einen der kleineren Zusammenschlüsse handelt, könnten die Stimmen der Landapothekerinnen und -apotheker um Claudia Wegener und Michaela Mann für künftige Koalitionen mitentscheidend sein.

Liste 3 war bei der Wahl 2019 erstmals überhaupt angetreten; die „Jungapotheker für die Zukunft“ hatten allesamt erst zwei Jahre zuvor ihre Approbation erhalten und gingen damals als Liste 5 ins Rennen. Aus dem Stand holte die Gruppe um Dr. Robin Brünn zwei Sitze in der Delegiertenversammlung. Nur zwei der neun aktuellen Kandidaten kommen aus der Apotheke; Brünn selbst arbeitet in der Apotheke des Universitätsklinikums Frankfurt und ist außerdem bei der SPD aktiv.

Liste 4 nennt sich „Starke Stimme für die Pharmazie“ und ist die sogenannte Professorenliste: Neben Professor Dr. Mona Abdel-Tawab (ZL), die auch im amtierenden Kammervorstand ist, treten hier unter anderem Professor Dr. Theo Dingermann und Professor Dr. Dieter Steinhilber an. Als Liste 3 holte die Gruppe bei der letzten Wahl vier Sitze in der Delegiertenversammlung.

Und obwohl bereits in Liste 1 sowie den Listen 3 und 4 zahlreiche Apotheker aus Forschung, Industrie und Verwaltung zu finden sind, gibt es mit Liste 5 noch eine spezielle Gruppe „Apotheker in Industrie und Krankenhaus“, diesmal unter der Führung von Dr. Tobias Mück (Sanofi/Nattermann). Zu unterschätzen ist auch diese Gruppe nicht, bei der Wahl 2019 holte sie als Liste 4 immerhin fünf Sitze und stellte mit Dr. Viola Schneider auch die bisherige Vizepräsidentin.

Ein deutlich breiteres Spektrum will Liste 6 abbilden. Die „Offizinapotheker Hessen“ haben sich neu ausgerichtet und neben Dr. Cora Menkens und Dr. Sebastian Barzen – beide sind im amtierenden Vorstand – unter anderem Dr. Nojan Nejatian aufgestellt. In der aktuellen Delegiertenversammlung ist die Liste mit sechs Sitzen die zweistärkste Kraft. Auch hier will man Veränderungen anstoßen, die Devise für die anstehende Kammerwahl lautet aber „Evolution statt Revolution“.

Liste 6 tritt für Evolution statt Revolution an.Foto: Liste 6

Eine Revolution strebt dagegen Liste 7 mit dem Motto „Team Neustart – Auswechseln, Aufbruch, Aufschwung zusammen“ an. Hier haben sich zahlreiche prominente Kolleginnen und Kollegen aus dem Umfeld des Apothekerverbands versammelt, um ihre Spitzenkandidatin Dr. Schamim Eckert zur neuen Kammerpräsidentin zu machen. Die Liste sieht sich als konsequente Fortsetzung des „hessischen Wegs“, wie sie das Engagement rund um die Protestaktionen selbst bezeichnet.

Die Gruppe geht mit offener Kritik an der bisherigen Arbeit der Kammer in den Wahlkampf und dem Versprechen, eine Standesvertretung für alle Inhaber und Angestellten zu schaffen. Mit der bisherigen Liste 7 „LAK Hessen für alle Apotheker“, die bei der Kammerwahl vor fünf Jahren einen Sitz in der Delegiertenversammlung geholt hatte, hat die Gruppe nichts zu tun, auch wenn mit Wibke Blasch und Dr. Matthias Rothenberger zwei Kandidaten „übernommen“ wurden.

Intensiver Schlagabtausch

Seit der Veröffentlichung der Wahlvorschläge vor einigen Wochen ist der Wahlkampf gestartet, es zeichnet sich ein intensiver Schlagabtausch ab: Nach dem ersten Aufschlag von Liste 7 sah sich der Vorstand veranlasst, einige Kritikpunkte öffentlich zu widerlegen. Vor allem in den sozialen Medien sammeln die Gruppen derzeit Unterstützer, und hier zeigt sich auch, dass es keine verfestigten Lager gibt, sondern übergreifende Sympathien für die einzelnen Positionen.

Dr. Schamim Eckert will einen Neustart der Kammer – und der Abda.Foto: APOTHEKE ADHOC

Um dann auch das Kreuz zu holen, legen die Kandidatinnen und Kandidaten gerade einzeln dar, worum es ihnen persönlich bei der Kammer geht. Dass Liste 1 unter anderem mit einem Foto von der Kundgebung wirbt, obwohl der Vorstand beim Protesttag vor einem Jahr sogar mit Strafen drohte, hat in den Reihen der Verbandsaktivisten schon für Aufregung gesorgt.

Bei der Stimmabgabe könnten insbesondere die angestellten Approbierten entscheidend sein, denn ihre Wahlbeteiligung war in der Vergangenenheit gleichweise gering. Hier könnten die Angreifer einen Vorteil haben, denn bei den Kundgebungen hatten auch die Angestellten gezeigt, dass sie sich für die Sache mobilisieren lassen.

Am Ende wird es aber nicht nur darum gehen, wer die meisten Stimmen einsammelt, sondern vor allem um mögliche Allianzen. Dass der Vorstand gerade die weitere Finanzierung des Zentrallaboratoriums (ZL) beschlossen hat, während beispielsweise Liste 7 ein großes Fragezeichen hinter die zusätzlichen Investitionen stellt, könnten ein Fingerzeig sein.

Kurz vor dem Start der Briefwahl stehen noch einmal Sitzungen von Vorstand und Delegiertenversammlung an. Dabei geht es vor allem um Satzungsänderungen, weil der bisherige Hauptgeschäftsführer Dr. Ulrich Laut im April in Rente geht und der Posten aufgeteilt werden soll. Auch der Haushalt soll turnusgemäß verabschiedet werden. Für Funke & Co. könnten die Treffen – an denen Liste 7 nicht teilnehmen kann – auch noch einmal eine Gelegenheit sein, in den eigenen Reihen Unterstützer einzusammeln. Es wird spannend in Hessen.

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