Kammerwahl in Hessen

Kammervorstand wirft Liste 7 „unwahre Behauptungen“ vor Nadine Tröbitscher, 16.10.2024 10:25 Uhr

Der Vorstand der Landesapothekerkammer Hessen um Präsidentin Ursula Funke wehrt sich gegen die „unwahren Behauptungen“ der Liste 7. Foto: Christof Stache
Berlin - 

In Hessen steht die Kammerwahl an. Dr. Schamim Eckert tritt als Spitzenkandidatin für die neue Liste 7 an, die ordentlich für Wirbel sorgt. Das Ziel: Eine grundlegende Neuausrichtung in der Berufspolitik und der Sturz von Kammerpräsidentin Ursula Funke, denn es brauche frischen Wind. Eckert und ihre Mitstreiter:innen haben ihrem Unmut öffentlich Luft gemacht und die Arbeit der Kammer kritisiert. Diese wehrt sich jetzt gegen die „weitestgehend unwahren Behauptungen“.

„Wir wollen eine Kammer, die wirklich unsere Standesvertretung ist“, so Eckert. Die Kommunikation zwischen Kammer und den Mitgliedern müsse fair und offen sein. Liste 7 tritt auch unter dem Namen „Team Neustart – Auswechseln. Aufbruch. Aufschwung zusammen!“ an. „Ein ‚Weiter so‘ darf es nicht geben.“

Der Vorstand der Landesapothekerkammer Hessen wehrt sich. Ursula Funke, Dr. Viola Schneider, Dr. Cora Menkens, Professor Dr. Mona Abdel Tawab, Dr. Otto Quintus Russe, Dr. Sebastian Barzen und Claudia Wegener wollen in einem Schreiben die „weitestgehend unwahren Behauptungen“ ausräumen. „Der Vorstand begrüßt es, wenn sich in einer Demokratie viele Kolleginnen und Kollegen für ein ehrenamtliches Engagement zur Wahl stellen“, wird der Brief eröffnet. Im Interesse einer sachlichen Arbeit sei es notwendig, die Behauptungen der Liste 7 richtig zu stellen.

Notdienst

Für die Neugestaltung des Notdienstes, der nach wie vor intransparent sei, habe man regelrecht kämpfen müssen, so Eckert. Während einige Kolleg:innen weniger Notdienste leisten als zuvor, müssen andere häufiger die Versorgung sichern. Warum ist nicht ersichtlich. Die Kammer kommuniziere nicht mit den Apotheken, so der Vorwurf. Dazu die Kammer: „Auf die Erleichterungen im Notdienst haben wir über zwei Jahre hingearbeitet, bis wir Ende Juli 2023 das Einvernehmen der Aufsichtsbehörde hatten. Gerne hätten wir auch Samstags-Schließungen ermöglicht. Leider hat das Land Hessen hier nicht zugestimmt.“

Berufsrechtliche Ermittlungen

Laut Mitstreitenden der Liste 7 wachse das Gefühl, dass berufsgerichtliche Verfahren aus fragwürdigen Gründen Vorrang hätten. Selbst betroffen war Dr. Christian Gerninghaus, Inhaber der Sonnen-Apotheke im hessischen Schlitz. Auf einem Rezept einer Kundin war dem Apotheker eine andere Dosierung als üblich aufgefallen; als er nachfragte, verstand die Kundin nicht, warum er Zugriff auf ihre Daten hatte. Sie beschwerte sich daraufhin bei der Kammer, die nach seinen Angaben tatsächlich ein Verfahren einleitete.

Die Kammer wehrt sich. Berufsrechtliche Ermittlungen sind eine gesetzliche Aufgabe der Landesapothekerkammer und müssen in einem sehr förmlichen Verfahren durchgeführt werden, auf das wir keinen Einfluss haben, heißt es. Die von der Kammer angeregten Verbesserungen zur Verfahrenserleichterung sollen in der nächsten Novelle des Heilberufsgesetzes kommen.

Bei Protest droht Ärger

Mit dem dem „hessischen Weg – Selber denken, selber machen“ haben die Apothekenteams viel erreicht, das zeigen die Proteste, die Petition und die Kampagne. Unterstützung der Protestmaßnahmen von der Kammer gab es für die Kolleg:innen nicht – und wenn, dann nur spärlich. Bei den ersten angekündigten Streiks im vergangenen Jahr habe die Kammer sogar mit Ordnungswidrigkeitsverfahren gedroht. Wegen der Brückentage sei die Versorgung für dreieinhalb Tage unterbrochen, argumentierte die Kammer damals.

Der Kammervorstand weist jede Schuld von sich. Bei der Protestaktion im Oktober vergangenen Jahres habe die Kammer zwar darauf hingewiesen, dass Schließungen der Apotheken unzulässig sind, aber die „Behauptung, wir hätten die Teilnahme an der Versammlung untersagt und Ordnungswidrigkeitsverfahren ohne Rechtsgrundlage angedroht, ist unwahr.“ Im Übrigen habe die Kammer kein einziges Ordnungswidrigkeitenverfahren in diesem Zusammenhang durchgeführt.

Intransparenz

Liste 7 bemängelte auch die Kommunikation mit der Kammer. Diese sei intransparent und Prozesse auf Kammerebene dauerten ewig. „Die Sitzungsprotokolle der Delegiertenversammlung sind seit neun Jahren auf der Homepage einsehbar, die Haushalte mit Erläuterungen wurden immer veröffentlicht“, kontert der Vorstand. Zudem seien alle Satzungen und Verordnungen, die die Kammerarbeit regeln, auf der Homepage abrufbar.

Stellenmarkt nicht erreichbar

In den Apotheken wird Nachwuchs dringend gesucht und zahlreiche Stellen sind zu besetzen. Bei der Suche spiele die Webseite der Kammer eine wichtige Rolle. Doch der Stellenmarkt habe sieben Monate lang nicht funktioniert. Diese Behauptung will der Kammervorstand nicht auf sich sitzen lassen. „Die Homepage war durch einen Hackerangriff nicht erreichbar“, wird der Ausfall begründet. Dies passiere auch anderen öffentlichen Einrichtungen. „Trotzdem ist es uns gelungen, binnen weniger Tage eine Notseite für den Apothekennotdienst sowie HBA und SMC-B einzurichten“, lobt sich die Kammer. „Der Stellenmarkt steht wieder zur Verfügung.“

Apothekenreformgesetz

Dass das Apothekenreformgesetz es noch immer nicht ins Kabinett geschafft hat, ist auch den Protesten und Gesprächen von Apotheker:innen mit Politiker:innen zu verdanken, jedoch nicht der Standesvertretung, so der Vorwurf. Liste 7 hat die Lobbyarbeit kritisiert und als „schlecht“ bezeichnet. Es brauche es eine starke Standesvertretung, die deutlich mache, was Apotheke bedeutet: Gerade in strukturschwachen Regionen gebe es oft schon keinen Arzt mehr, wenn dann auch noch auf Apotheker:innen verzichtet würde, gäbe es überhaupt keinen heilberuflichen Akademiker mehr vor Ort.

Auch hier erklärt sich die Kammer: „Bezüglich des Apotheken-Reformgesetzes waren wir in der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag und in der Landtagsanhörung anwesend. Daneben haben wir eine riesige Anzahl von Einzelgesprächen geführt, die laufend fortgesetzt werden. Die Hessische Landesregierung hat sich auf unser Betreiben hin klar für uns positioniert.“ Nicht zu vergessen sei die von der Delegiertenversammlung der Landesapothekerkammer am 17. Juni verabschiedete Resolution, das Gesetz sofort zu stoppen.

Versöhnliche Worte?

„Wir arbeiten kollegial, engagiert, service- und zielorientiert gemeinsam zum Wohle aller Apothekerinnen und Apotheker in Hessen. Nur gemeinsam können wir unsere Ziele erreichen, denn Einigkeit macht stark“, so der Kammervorstand.