Zur Unterstützung von Apotheken, die durch die AvP-Insolvenz in Not geraten sind, fordert die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) zinsfreie Überbrückungskredite der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). „Die Versorgung der Menschen mit Arzneimitteln darf darunter keinesfalls leiden, doch genau diese Gefahr zeichnet sich ab“, so die Kammer. Außerdem fordert die Kammer die Krankenkassen zur „pünktlichen und vollständigen Zahlung der Rezeptabrechnungen für September auf“.
„Nur so können wir Versorgungslücken vermeiden und betroffene Apotheken nachhaltig unterstützen“, sagt Kammerpräsident Dr. Armin Hoffmann. Derzeit sähen sich 20 Prozent der Apotheken mit einer teils existenzbedrohlichen Situation konfrontiert. Weil eine direkte Abrechnung von Rezepten mit Krankenkassen praktisch unmöglich sei, seien sie de facto gezwungen, mit einem Anbieter wie AvP zusammenzuarbeiten. Wegen der Komplexität sozialrechtlicher Vorgaben kämen Apotheken de facto nur über einen solchen Dienstleister an ihr Geld. Zugleich müssten Apotheker ihr Warenlager vorfinanzieren und seien darauf angewiesen, dass die sich anschließenden Abrechnungen gegenüber den Krankenkassen schnell erfolgten und pünktlich bezahlt würden. Nur so könnten sie ihren Verpflichtungen gegenüber Großhandel und Industrie nachkommen.
Durch die Insolvenz sind nun wohl zwischen 250 und rund 300 Millionen Euro auf AvP-Konten eingefroren, bis sehr komplexe rechtliche Fragen geklärt seien, so die AKNR. Das könne Jahre dauern: „Dieses Verfahren setzt die betroffenen Apotheken einem existenziellen Risiko aus, da sie schlicht nicht in der Lage sind, die Beträge, die nun eingefroren sind, für die Dauer des Verfahrens vorzufinanzieren“. Die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung erfolgt nach § 1 Abs. 1 Apothekengesetz im öffentlichen Interesse. Apotheker nähmen hier Aufgaben des Staates wahr, seien aber zugleich auch in der Regel als Kaufleute persönlich und unbegrenzt haftend.
Nun hafteten sie für Versäumnisse, die andernorts entstanden sind. „Das A und O ist die Liquidität im Bereich der lückenlosen Versorgung der Menschen mit Arzneimitteln. Sie ist nötig, damit Apothekerinnen und Apotheker ihren staatlich übertragenen Gemeinwohlauftrag weiterhin erfüllen können“, so Hoffmann. Vizepräsidentin Kathrin Luboldt ergänzt: „Die Verzweiflung bei den Kolleginnen und Kollegen ist riesengroß. Sie sind absolut unverschuldet in diese Lage geraten und nun gezwungen, Kredite aufzunehmen, die viele eigentlich gar nicht wollen. Es geht teils um sehr hohe Summen, die kaum jemand auf der Seite liegen hat. Da sind viele Frauen und Männer, Familienväter und vor allem auch viele Mütter ohne eigenes Fehlverhalten in eine dramatische Situation gekommen. Deshalb sind zinsfreie Kredite so wichtig, um die Versorgung der Menschen mit Arzneimitteln nicht zu gefährden.“ Es gelte, kurzfristig die Liquidität der Apotheken bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens unbürokratisch zu gewährleisten.
Der Bundesverband Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK) fordert ebenfalls einen staatlichen Rettungsschirm. Man begrüße Vorschläge, „unabhängig von weiteren gesetzgeberischen Maßnahmen, mit dem schon in anderen Fällen genutzten staatlichen Rettungsschirm mit Hilfe der KfW den betroffenen Apotheken schnell und unbürokratisch zu helfen“, so der Vorsitzende Dr. Stefan Hartmann. Das Insolvenzverfahren werde sich voraussichtlich über Jahre hinziehen und den betroffenen Kollegen müsse nun schnell geholfen werden. Es sei die Gesundheitspolitik der letzten Jahrzehnte, die es den Inhabern von stationären Apotheken durch die Rx-Preisbildung und zu viel Bürokratie unmöglich mache, selbst und direkt mit den Kassen abzurechnen. Der einzelne Apothekenleiter beherrsche auch nicht, die Bonität einzelner Abrechnungsunternehmen zu beurteilen.
Bis vor Kurzem habe sich niemand auch nur ansatzweise eine solche Entwicklung und Katastrophe vorstellen können. Alle Apothekeninhaber in Deutschland seien nachvollziehbarerweise zutiefst verunsichert. Von Transparenz könne im Fall AvP zudem keine Rede sein. So habe das Unternehmen nach Presseberichten schon seit Anfang September einen Insolvenzantrag vorbereitet, nachdem ein Konsortium mehrerer Banken eine Kreditlinie im Umfang von knapp 250 Millionen Euro gekündigt hatte.
Ausfallrisiken durch Abrechnungsunternehmen auf die Einzelapotheke abzuwälzen, sei zukünftig ein nicht mehr tragbarer Zustand. „Insgesamt erkennen die Kooperationsapotheken des BVDAK einen grundsätzlichen Systemfehler. Kommt es bei den großen Playern im Markt zu finanziellen Problemen, ohne dass die Apotheken auch nur ansatzweise Schuld daran hatten, kann der Einzelbetrieb Apotheke mit seinen verbliebenen Gewinnspannen die Verluste solche Ausfälle nicht verkraften“, so Hartmann.
Entweder man statte die Apotheken mit Honoraren aus, die eine Zukunftssicherung auch bei Pleiten großer Partner ermöglichen oder der Staat müsse mit angepassten Vorschriften finanziell einspringen. „Mein Satz, die Zukunft der stationären Apotheke werde auch kaufmännisch entschieden, hat sich im AvP-Fall auf leidvolle Weise bewiesen und gilt unverändert für die nächsten Jahre“, so der BVDAK-Chef: „Die selbständigen Apotheker und Apothekerinnen haften mit ihrem Privatvermögen. Für solche Katastrophen und hohe Investments sind wir nicht ausgestattet.“
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