Die Apothekerkammer Berlin könnte ab morgen Abend unter neuem Vorsitz stehen: Dr. Kerstin Kemmritz tritt bei der konstituierenden Sitzung am Dienstag gegen Kammerpräsident Dr. Christian Belgardt an. Rechnerisch hat Kemmritz eine Mehrheit – falls alle Delegierten entsprechend ihrer Fraktionen stimmen, muss Belgardt seinen Stuhl räumen.
Kemmritz hat mehrere Wochen Konsultationen mit Vertretern anderer Listen hinter sich. Ergebnis: Ihre Liste „Allianz Aller Apotheker“ (AAA) plant eine Koalition mit den Listen „Apotheker/-innen aus Wissenschaft, Industrie und Verwaltung“ (WIV-Apotheker) von Dr. Björn Wagner und „Hauptstadtapotheker“ von Annette Dunin von Przychowski. Am Montag verkündeten die drei Gruppen in einer gemeinsamen Mitteilung, dass sie Belgardt ablösen wollen.
„Wir sind übereingekommen, den Delegierten der Apothekerkammer Berlin ein Angebot für die Besetzung des neuen Kammervorstandes zu unterbreiten, das auch den Wählerauftrag nach einer breit gefächerten und modernen Vertretung sowie die Mehrheit der Sitze der Delegiertenversammlung abbildet“, erklären Kemmritz, Wagner und Dunin. Demnach soll der Posten der Vizepräsidentin an Dunin gehen und Wagner gemeinsam mit Dr. Eva Göbgen, Dr. Alexander Bootz, Manuela Spann und Gerrit Herre in den Vorstand einziehen.
Genug Sitze für die Machtübernahme haben sie: Von den 45 gewählten Vertretern der Delegiertenversammlung entfallen elf auf die AAA, neun auf die WIV- und drei auf die Hauptstadtapotheker. Belgardts Liste „Offizin-Apotheke“ hatte bei der Wahl im März die absolute Mehrheit verfehlt und kommt auf 18 Sitze. Zusammen mit den Delegierten der Liste „Aktive Apotheker*innen“ von Maximilian Buch käme er auf 22 Sitze – einer weniger als die Kemmritz-Koalition. Insgesamt hat die Delegiertenversammlung allerdings 46 Mitglieder, da ein Vertreter nicht gewählt, sondern von der Freien Universität Berlin ernannt wird. Es ist also denkbar knapp für Kemmritz. Schon ein einziger Abweichler könnte ihre Mehrheit zunichte machen.
So weit wollen die Koalitionäre es aber gar nicht erst kommen lassen: Ihr Angebot sei an alle Delegierten gerichtet. „Ausgehend davon, dass die Wahlforderungen anderer Listen nicht nur Lippenbekenntnisse, sondern belastbare Zielsetzungen darstellen, hoffen wir auf eine breite und listenunabhängige Unterstützung“, schreiben sie. „Unser Vorschlag ist daher für alle aktiven Delegierten, die das Wahlprogramm ihrer Liste und den Auftrag ihrer Wählerinnen und Wähler ernst nehmen, ein ebenso ernst gemeintes Angebot zur weiteren aktiven und gemeinsamen Gestaltung!“
Kemmritz, Dunin und Wagner werben für einen Aufbruch, für ein Ende der als „Dunkelkammer“ kritisierten Amtsführung von Belgardt: mehr Transparenz, eine zukunftsorientierte Weiterentwicklung der Kammerarbeit und eine stärkere Beteiligung von Kollegen aus allen Berufsfeldern, so die Versprechen. Der habe bisher keinen konkreten Vorschlag gemacht, wie er sich die neue Legislaturperiode vorstellt, mahnt Kemmritz.
Mit der Wahl Ende März haben sich die Mehrheitsverhältnisse in der Delegiertenversammlung verändert: Aus drei wurden fünf Fraktionen, Belgardts Liste fiel von 46 auf 40 Prozent der Wählerstimmen. Prozentual noch mehr verloren hatte nur Kemmritz‘ Liste: Ihr Ergebnis fiel von 30,3 auf 23,2 Prozent. Koalitionspartnerin Dunin war zum ersten mal mit einer eigenen Liste angetreten und holte aus dem Stand 7,2 Prozent. Großer Gewinner waren die WIV-Apotheker. Von 11,6 Prozent im Jahr 2015 konnte sich Wagners Liste auf 19,2 Prozent verbessern. 2015 hätten seiner Liste fünf Sitze zugestanden, er war aber allein angetreten. Der Fall war in der Wahlsatzung nicht geregelt, die Beteiligten füllten die Lücke, indem sie sich im Nachhinein darauf einigten, die vier übrigen Sitze nach dem d‘Hondt-Verfahren zu verteilen. Zwei der Sitze gingen dadurch an Belgardts Liste.
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