Ziemlich genau zwei Monate nach den Kammerwahlen in Berlin gibt es immer noch keinen neuen Vorstand: Dr. Kerstin Kemmritz wurde zur neuen Präsidentin gewählt – weil sich die Delegierten aber nicht auf einen Vorstand einigen konnten, kann sie ihr Amt noch nicht antreten. Deshalb müssen sie Dienstagabend nochmal ran. Klappt es wieder nicht, könnte sich das Prozedere – zumindest theoretisch – noch Monate hinziehen. Läuft alles glatt, hat Kemmritz am Mittwoch ihre Premiere als offizielle Kammerpräsidentin.
Wer Dienstagabend beim Sommerfest der ABDA nach Kollegen aus der Berliner Kammer Ausschau hält, wird wohl enttäuscht werden: Die sitzen nämlich zeitgleich nur wenige Kilometer entfernt über den Wahlzetteln und versuchen, sich auf einen Vorstand zu einigen. Das hat bei der konstituierenden Sitzung nämlich nicht geklappt. Kemmritz hatte kurz zuvor dank zweier Abweichler aus dem Lager der nicht an ihrer Koalition beteiligten Listen mit 24 zu 20 Stimmen gegen den amtierenden Präsidenten Dr. Christian Belgardt gewonnen – gegen ihre eigenen Erwartungen, wie sie sagt.
„Ich war selbst überrascht, dass das an dem Abend geklappt hat“, so die Inhaberin der Falken-Apotheke Weißensee. „Wir wussten, dass jemand aus unserem Lager nicht kommt und hatten uns eigentlich auf einen Patt eingestellt.“ Wer die beiden Überläufer sind, wisse sie nicht, habe aber natürlich eine Ahnung, die sie für sich behalte. Als ihre vorgesehene Stellvertreterin Annette Dunin von Przychowski dann an der Reihe war, reichte es aber nicht mehr. Gegen den amtierenden Vizepräsidenten Joachim Stolle kam es zum Patt: 22 zu 22 Stimmen. Kann nach zwei Durchgängen kein Sieger festgestellt werden, sieht die Satzung eine Wiederholung der Wahl nach zwei Wochen vor.
Deswegen müssen die Delegierten am Dienstagabend nochmal entscheiden, wem sie ihre Stimme geben: Diesmal aber mit der Garantie, dass es ein Ergebnis gibt. Denn wenn wieder zweimal keine Mehrheit erreicht werden kann, entscheidet das Los. Kemmritz‘ Vize wird also Dienstagabend feststehen. „Es ist schon eine komische Lösung“, sagt sie. Das liege aber auch daran, dass die Satzung „steinalt“ sei und längst hätte angepasst werden müssen. Und mit den restlichen fünf Kammervorständen könnte sich die Geschichte weiter in die Länge ziehen. Denn für sie sieht das Wahlprozedere denselben Ablauf vor wie beim Vizepräsidenten: zweimal wählen und Wiederholung nach zwei Wochen, wenn keine Mehrheit gefunden wurde. Kommt wieder keine Mehrheit zustande, dann über Los. Rein theoretisch könnten also noch bis zu zehn Wochen ins Land ziehen, bis alle fünf Vorstandsmitglieder gewählt sind.
So weit will es aber niemand kommen lassen, deshalb hat sich Kemmritz in den vergangenen zwei Wochen ins Zeug gelegt und sich mit allen Beteiligten konsultiert. „Wir haben uns hier auch die Sonntage um die Ohren gehauen, aber die Gespräche waren notwendig“, sagt sie. Über das konkrete Ergebnis schweigt sie sich aus. Fest steht nur, dass eines nicht feststeht: Dunins erneute Kandidatur. Denn bei der Wiederholung der Wahl ist nicht festgelegt, dass dieselben Kandidaten noch einmal antreten. Haben sie sich also auf einen anderen Kandidaten geeinigt? „So könnte man es interpretieren“, sagt Kemmritz. Und was meint Dunin, wenn man sie nach ihrer Kandidatur fragt? „Erst einmal schauen, wie sich das Ganze entwickelt“, so die Filialleiterin der Quartier-Apotheke in der Goltzstraße. Beide geben sich jedenfalls Mühe, Konzilianz zu signalisieren.
So sollen demnach Kandidaten gefunden werden, „die die bestehenden Mehrheiten abbilden können“, beteuert Kemmritz. Sie sei deshalb „mittelmäßig entspannt“ und „guter Dinge, dass die Stimmen dieses mal reichen“, warnt aber auch vor allzu hohen Erwartungen: „Sehr viel Verwunderung wird es nicht geben.“ Auch der Umgang mit der Liste ihres Vorgängers, werde noch besprochen. „Wir wollen schauen, wie wir die Erfahrung von Herrn Belgardt und seiner Liste einbinden können“, so Kemmritz. Am menschlichen Verhältnis soll es anscheinend nicht scheitern, Kemmritz verliert kein schlechtes Wort über ihren Vorgänger: „Wir kennen uns ja lange genug und haben das als fairen Wettbewerb gesehen. Wir mailen uns auch regelmäßig.“
Weniger gute Worte lässt sie sich zum Geschäftsführer der Kammer, Rainer Auerbach, entlocken: Ein Bekenntnis, dass sie an ihm fest hält, kommt ihr nicht über die Lippen. Sie werde die Abläufe und Prozesse in der Geschäftsstelle genau unter die Lupe nehmen: „Wir denken, dass da ein gewisser Handlungsbedarf besteht. Vor allem bei Transparenz und Einbindung gibt es noch Luft nach oben.“ So müsse der Informationsaustausch digitalisiert werden, die jetzige Form sei nicht mehr zeitgemäß. Eine Trennung von Auerbach bedeute das jedoch nicht gleich. „Wenn der Wille da ist, kann man sich ja nach oben entwickeln“, so Kemmritz.
Bevor sie ihre Reformagenda angehen kann, muss sie jedoch noch mit laufendem Motor und angezogener Handbremse warten. „Wir haben To-Do-Listen ohne Ende, ich will unbedingt loslegen. Es gibt so viel, was ich anpacken will“, sagt sie. Klappt es mit der Vorstandswahl, hat Kemmritz einen Tag später beim Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit 2019 ihre Feuertaufe als offizielle neue Kammerpräsidentin – wenn nicht, dann wird in zwei Wochen nochmal gewählt.
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