In der Korruptionsaffäre um den CSU-Abgeordneten Georg Nüßlein gerät nun auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) unter Druck. Noch in der vergangenen Woche hatte er in Bundestag und Bundespressekonferenz beteuert, dass es keine Unregelmäßigkeiten in seinem Haus gegeben habe. Doch möglicherweise hat er selbst eine entscheidende Rolle gespielt.
Wie Business Insider berichtet, drängte Nüßlein das BMG bereits im Mai, offene Rechnungen in Millionenhöhe von zwei Firmen zu bezahlen. Für ein Schreiben nutzte er den offiziellen Briefkopf der CDU/CSU-Fraktion und Unterstützung von Fraktionsmitarbeitern. Ende Juni schickte Nüßlein außerdem von seiner Bundestagsadresse eine E-Mail an den für Maskenbeschaffung zuständigen Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium (BMG). Es ging um die vorzeitige Auflösung eines Vertrags zwischen Ministerium und einer hessischen Firma, die das BMG bis dahin mit Masken belieferte. Welche Rolle Nüßlein bei dem Deal spielte, ist laut Business Insider unklar. In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass er 650.000 Euro Provision für die Beschaffung von Masken erhalten haben soll.
Nüßlein ging laut Bericht auf die Menge der bisher gelieferten Masken ein und auch auf reklamierte Masken, die „wegen brechendem Nasendraht abgelehnt“ worden waren und nun ersetzt werden sollten. Laut Business Insider rechnete Nüßlein dem Abteilungsleiter vor, dass noch knapp 2,5 Millionen FFP2-Masken zu 3,80 Euro und 1,5 Millionen FFP3-Masken zu 6,80 Euro offen seien.
Sein Vorschlag: Wenn das BMG die Hälfte der offenen Posten bezahle, stimme die Firma einer vorzeitigen Auflösung des laufenden Vertrags zu. Und dann der Hinweis auf Spahn: „JS hat gesagt, ich soll das mit Ihnen besprechen. Müsste aber bald geregelt werden.“ Ob mit „JS“ tatsächlich Spahn gemeint war, ist nicht bekannt, liegt aber zumindest nahe. Immerhin tritt der Minister selbst unter dem Kürzel auf, hat sogar ein eigenes Logo mit seinen Initialien für seine Social-Media-Kanäle. Wie Spahn kommt Nüßlein beruflich aus dem Bankenbereich, beide zogen 2002 erstmals in den Bundestag ein.
Auf Nachfrage antwortete ein Sprecher des BMG gegenüber Business Insider: „Der Bundesminister für Gesundheit leitet grundsätzlich alle Nachfragen, die ihn zu geschlossenen Verträgen erreichen, zur Bearbeitung an die Fachebene weiter – so auch im Fall Nüßlein.“ Der angesprochene Vertrag sei jedenfalls bis jetzt wegen laufender Verhandlungen zu Qualitätsfragen noch nicht vollständig abgewickelt worden.
Noch in der vergangenen Woche verteidigte Spahn seine eigenen Aktivitäten im Zusammenhang mit Schutzmasken. Befragt nach der Causa Nüßlein sagte er in der Bundespressekonferenz, es habe in der Anfangsphase der Pandemie zahlreiche Hinweise zu möglichen Beschaffungsquellen für Schutzausrüstung gegeben, auch durch Abgeordnete. Jeden Tag seien hunderte Hinweise eingegangen, von Bürgern, den Lieferanten selbst, aber auch beispielsweise von Landräten. Daraufhin habe man einen Prozess aufgesetzt, der sich relativ schnell eingespielt habe. So habe der Beschaffungsstab der Bundesregierung die Angebote geprüft, auch mit Blick auf die Zahlungsmodalitäten. Nicht selten sei von den Firmen nämlich Vorkasse verlangt worden.
So sei es auch bei den von Nüßlein vermittelten Angeboten gewesen. Nach seiner Erinnerung und seinem Wissensstand sei es genauso gelaufen wie sonst. Die Mitarbeiter in seinem Haus schauten nun aber im Archiv noch einmal nach den Vorgängen. „Wir werden die Fragen, die dazu aufgekommen sind, auch beantworten“, so Spahn.
Zu seinem eigenen Engagement im Zusammenhang mit dem Millioneneinkauf bei der Schweizer Firma Emix Trading antwortete Spahn bereits bei der Regierungsbefragung am Mittwoch im Bundestag. Auf Nachfrage von Fabio De Masi (Die Linke), ob er in diesem Zusammenhang persönlich Gespräche mit Andrea Tandler, Tochter des früheren CSU-Generalsekretärs Gerold Tandler, geführt habe, rief Spahn die Situation im vergangenen Frühjahr in Erinnerung: Es gebe faktisch keine Fraktion des Bundestags, aus der nicht Abgeordnete ihn auf Angebote von Händlern hingewiesen hätten. Aus dem ganzen Land habe es damals solche Hinweise gegeben.
„Natürlich habe ich in der damaligen Phase dann auch Kontakt aufgenommen“, so Spahn. „Ich würde sagen, ich hätte mein Amt nicht richtig ausgeführt in der damaligen Not, wenn ich mich nicht auch persönlich gekümmert hätte, dass wir Abhilfe schaffen für eine sehr missliche Situation für Pflegekräfte, die für uns gegen das Virus kämpfen und Schutz brauchen. Und natürlich bin ich dann auch diesen Hinweisen nachgegangen, Masken für Pflegekräfte zu besorgen, das stimmt.“
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