Acht Wirkstoffe auf Hochrisiko-Liste Lothar Klein, 24.02.2017 14:01 Uhr
Beim zweiten Treffen haben sich die Teilnehmer des Jour fixe zu Lieferengpässen auf die angekündigte Wirkstoffliste verständigt. Diese wurde jetzt – drei Monate nach dem Treffen – intern verschickt und muss noch abgestimmt werden. Acht Wirkstoffe gelten danach als besonders problematisch. Ende Mai soll es das dritte Treffen geben. Dann soll die Liste abgesegnet und über die Folgen für den Nachweis der Lieferunfähigkeit gesprochen werden.
Neben dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) sind zum Jour fixe das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) als Bundesoberbehörden sowie die Fachkreise eingeladen: Hersteller, Großhändler und Apotheker. Die Federführung im Auftrag des BMG hat das BfArM übernommen.
Beim Treffen Anfang Dezember wurde die Wirkstofflisten vorbereitet: Es wird drei Listen geben. Liste 1 ist die umfangreichste Aufzählung. Dort sind alle „versorgungsrelevanten Wirkstoffe“ und „essentiellen Arzneimittel“ verzeichnet.
Liste 2 umfasst alle „relevanten Wirkstoffe“ mit „erheblichem Versorgungsrisiko“. Hier werden Wirkstoffe geführt, deren Lieferfähigkeit gefährdet ist und die einer behördlichen Kontrolle unterliegen sollen. Auf diese Liste finden sich etwas mehr als 100 Wirkstoffe.
In Liste 3 finden sich „relevante Wirkstoffe“ mit „generellem Lieferengpassrisiko“, bei denen es in der Vergangenheit schon einmal Probleme gab. Diese Liste beinhaltet acht Wirkstoffe, darunter Piperacillin/Tazobactam, Melphalan, Ivermectin und Carboplatin. Es soll geprüft werden, ob für diese Wirkstoffe eine Meldepflicht eingeführt werden könnte.
Beim nächsten Jour fixe Ende Mai sollen die Listen verbindlich abgestimmt werden. Dann beginnt die Suche nach Lösungen. Zur Frage gestellt wird etwa, wie Apotheken, Großhandel und Krankenkassen mit dem Problem umgehen und wie die Nichtlieferfähigkeit nachgewiesen werden soll.
Auch der Thüringische Landtag in Erfurt beschäftigt sich auf Antrag der CDU mit Lieferengpässen bei lebenswichtigen Medikamenten. Die Fraktion möchte erreichen, dass Hersteller dazu verpflichtet werden, dem BfArM zu melden, wenn nicht genügend Medikamente geliefert werden können. Eine solche Meldepflicht gebe es bislang noch nicht. Bislang sind die Meldungen freiwillig.
Die Teilnehmer des Jour fixe waren sich einig, dass die verschiedenen derzeit kursierenden Wirkstofflisten nicht vollständig sind. Entsprechende Aufstellungen gibt es vom BfArM für Arzneimittel und vom PEI für Impfstoffe sowie auf internationaler Ebene von der WHO. Daher wurde der Auftrag erteilt, die Listen abzustimmen und zu einer vollständigen Liste zusammenzuführen. Das ist jetzt geschehen. Im Fokus stehen dem Vernehmen nach Onkologika und andere Präparate aus der Krankenhausversorgung.
Die Meldungen der Firmen über Lieferausfälle sollen weiterhin auf der Basis der Selbstverpflichtung der Hersteller freiwillig bleiben. Sollte sich allerdings im weiteren Verlauf herausstellen, dass die Firmen nicht vollständig melden, behält sich das BMG eine Verschärfung der Meldepflicht vor.
Auch bislang sah das BMG schon keinen Anlass, in den Markt einzugreifen. Aus Sicht der Bundesregierung sind Störungen im Produktionsprozess die Hauptursache für Versorgungsengpässe. Auch unterschiedliche Vertriebswege hätten „Einfluss“ auf die kurzfristige Verfügbarkeit von Arzneimitteln, räumte das BMG ein. Allerdings hätten diese „nach Kenntnis der Bundesregierung bislang nicht zu einem Engpass in der Versorgung geführt“, schrieb BMG-Staatssekretärin Ingrid Fischbach (CDU) im Juli 2016 auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke.
Die Bundesärztekammer (BÄK) fordert ein Pflichtregister für überlebenswichtige Arzneimittel und Sanktionen bei Verstößen gegen die Meldepflicht: „Wenn wir die Versorgung mit überlebenswichtigen Medikamenten wie Antibiotika oder Krebsmitteln sicherstellen wollen, brauchen wir ein verpflichtendes Register und spürbare Sanktionen bei Nichtmeldung. Es reicht nicht aus, dass Pharmaunternehmen Lieferengpässe auf freiwilliger Basis melden. Das spiegelt nur einen Bruchteil der tatsächlichen Engpässe wieder. Es müssen auch bereits drohende Versorgungsengpässe gemeldet werden“, erklärte Vorstandsmitglied Dr. Susanne Johna.
Selbstverständlich müssten für Medikamente auch faire Preise bezahlt werden. Rabattverträge dürften das Preisniveau nicht so tief drücken, dass sich die Produktion nicht mehr lohne oder sich auf wenige Hersteller in China oder Indien konzentriere. Zusätzlich bestehe die Gefahr, dass Medikamente aus der Lieferkette hinaus ins Ausland exportiert würden.
Und schließlich bräuchten die zuständigen Behörden mehr Kompetenzen. Sie müssen die Möglichkeit erhalten, Pharmaunternehmen und Großhändlern Maßnahmen vorzuschreiben, die die Verfügbarkeit wichtiger Medikamente sicherstellten. Dazu gehöre auch der Aufbau von strategischen Reserven von zu definierenden wichtigen Medikamenten.