Hartz IV, Abtreibungen oder Pflege – als neuer Bundesgesundheitsminister hat Jens Spahn (CDU) in den zwei Wochen seiner Amtszeit mächtig Staub nach dem PPP-Politikprinzip aufgewirbelt: provozieren, pauschalisieren, profilieren. Zuletzt schickte Krankenschwester Jana Langer per Facebook einen Brandbrief an Spahn, in dem sie Missstände im Gesundheitssystem anprangerte. Jetzt stellte sich Spahn auf Facebook seinen Kritikern in einer virtuellen Bürgersprechstunde und erntete einen massiven Shitstorm. Fragen zum Rx-Versandverbot ignorierte er.
15 Minuten nahm sich Spahn Zeit. Kein Minister der neuen Bundesregierung steht nach seinem Dienstantritt so in der Kritik wie der 37-Jährige. Im weißen Hemd steht der neue Gesundheitsminister lässig in seinem Büro an der Berliner Friedrichstraße. Er wolle eingehen auf die vielen Beiträge, Anmerkungen und auch Kritik, die ihn rund um das Thema Pflege erreicht hätten. Sofort bricht in den Kommentaren auf Facebook ein Shitstorm über Spahn herein: „Oh Gott, schon wieder dieser Typ“, heißt es dort und „Judas“, „Lutscher“, „Widerling“. So ähnlich setzt sich das über die ganze Zeit fort.
Das hält Spahn allerdings nicht von seinen Botschaften ab: Natürlich habe Frau Lange Recht, wenn sie über zu wenig Personal in der Pflege klage. Spahn verweist wie stets bei solchen Gelegenheiten auf das Sofortprogramm der neuen GroKo, die rasch 8000 neue Pflegekräfte einstellen und die Bezahlung verbessern werde – inhaltlich gibt es nichts Neues.
Dies könne nur der Anfang sein. „Wie finden wir die Fachkräfte? Wie schaffen wir mehr Ausbildungsplätze? Und wie können wir möglicherweise Menschen, die aus Pflegeberufen ausgestiegen sind, wieder zurückgewinnen?“, fragt Spahn sich und die Facebook-Gemeinde.
Er sei ja gerade erst zwei Wochen im Amt, da könne noch nicht alles besser sein: „Ein paar Tage müsst ihr mir noch geben.“ Das werde nicht leicht. Spätestens in einem oder in zwei Jahren werde Bilanz gezogen, verspricht der Gesundheitsminister. Seine Hoffnung, „dass wir dann sagen können: Es ist besser geworden. Es hat sich was zum Guten verändert. Es ist mehr Zeit für die Patienten und Pflegebedürftigen da. Es ist mehr Personal da.“
Zwischendurch schaut Spahn sich die neuen Fragen an und sieht den Shitstorm: „Ein paar Grüße, ein paar Beschimpfungen, die scheinen bei Facebook immer dazuzugehören.“ Kritik in der Sache nehme er gern an, aber „Beschimpfungen, gut, dass müsst ihr selber wissen, was ihr da so präsentiert.“
Nach vier Minuten und 16 Sekunden mischt sich Apotheker Ulrich Ströh in die Facebook-Runde: „Und was ist mit dem Rx-Versandhandel in Deutschland in diesem Jahr?“, will er von Spahn wissen. Entweder sieht der Gesundheitsminister die Frage nicht oder er ignoriert sie. Acht Minuten später ist Ströh erneut auf Facebook: „Herr Spahn, wie geht es mit dem Rx-Versandhandel von AM in D“ – wieder keine Reaktion. Und wieder zwei Minuten später: „Er sollte sich zu den AM äußern!“
Inzwischen hat sich auch Apotheker Christian Redmann zugeschaltet: „Wurde schon etwas zum Versandhandelsverbot mit Arzneimitteln (rezeptpflichtig) gesagt? Versandhandelsverbot - Arzneimittel? Wurde sich dazu geäußert?“, will er wissen. Spahn antwortet nicht. „Ich schimpfe nicht: Arzneimittelversandverbot für Rx-Arzneimittel... Wie ist Ihre Position?“, insistiert Redmann. Dann ist die 15-minütige Facebook-Sprechstunde auch schon vorbei – ohne ein Wort des Gesundheitsministers zum Arzneimittelversandhandel.
Aber schon bald gibt es wieder Gelegenheit für die Apotheker, Spahn zu diesem Thema zu löchern. In regelmäßigen Abständen will sich Spahn via Facebook Fragen stellen. Auf Spahns Facebookseite werden die nächsten Termine angekündigt.
Manchmal sei es schwierig, Fragen zu finden, die man beantworten könne, „wenn alle nur am Schimpfen sind“, stellt er zum Abschluss etwas enttäuscht fest. Trotzdem sei ihm sehr daran gelegen, das offene Gespräch, den offenen Austausch zu suchen, „deswegen werden wir Facebook live fortsetzen“ und appelliert an die Facebook-Gemeinde, künftig „nicht nur Beschimpfungen abzulassen“. Er werde die Ostertage nutzen, um „nachzudenken, zur Ruhe zu kommen“.
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