Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening hat die Apothekerinnen und Apotheker aufgefordert, trotz der vielfältigen Herausforderungen und Ärgernisse nicht den Kopf in den Sand zu stecken. Die Apotheken seien in einer guten Position, jetzt brauche es ein starkes Wir-Gefühl, sagte sie bei der Zukunftskonferenz VISION.A powered by APOTHEKE ADHOC.
Derzeit gibt es viele Ärgernisse, mit denen sich die Apothekerinnen und Apotheker herumschlagen müssen: Die geplante Anhebung des Kassenabschlags etwa sei ein No-Go und für die Apotheken nicht darstellbar. Unsäglich sei auch das Narrartiv von Gesundheitsminister Karl Lauterbach, dass die Apotheken ja in der Pandemie mehr verdient hätten und daher jetzt einen Sparbeitrag leisten könnten. „Das ist so, als ob sie einer Mitarbeiterin, die monatelang Überstunden gemacht hat, genau deswegen das Gehalt kürzen.“ Auch viele Parlamentarier reagierten mit Unverständnis, „wir hoffen, dass wir sie noch überzeugen können“.
Umso erstaunlicher sei das Vorhaben, bis zu 1000 Gesundheitskioske in Deutschland aufzubauen. Während den Apotheken über zwei Jahre 240 Millionen Euro weggenommen werden sollen, würden 750 Millionen Euro in neue Strukturen investiert, bei denen man noch nicht einmal die personelle Ausstattung kenne. „Das ist eine völlig unverständliche Verschwendung von Geld, das man besser in bestehende Strukturen stecken sollte.“ Wenn es irgendwo ein Defizit gebe, könne man dies besprechen und angehen. „Das, was jetzt geplant ist, ist Unfug.“
Ähnlich sehe es beim Dispensierrecht für Paxlovid aus. Der Eindruck sei, dass das Covid-Medikament nicht über Verordnungen ausreichend eingesetzt werde, daher solle das nun über die Selbstdispensation versucht werden. Dadurch werde nicht nur das Vertrauensverhältnis von Patient und Arzt gestört, sondern auch das System in seinen Grundfesten erschüttert. „Die Dispensation von Medikamenten gehört ausschließlich in die Apotheke. Dieser ordnungspolitische Rahmen muss unantastbar sein.“
Dass die Ärzteverbände die Selbstdispensation wegen der pharmazeutischen Dienstleistungen forderten, sei Gehabe wie im Sandkasten. „Für pharmazeutische Dienstleistungen gibt es eine Notwendigkeit, weil auch viele Ärzte sie in der Praxis nicht erbringen können und wollen. Bei der Arzneimittelabgabe gibt es dieses Problem nicht. Die Versorgung funktioniert.“ Im Übrigen gebe es durchaus konstruktive Gespräche mit der Ärzteschaft, die sie auch so oft wie möglich wahrnehme. „Solange ich keinen Personenschutz brauche, gehe ich hin.“ Nur mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sei es etwas schwieriger, aber hier könnte sich die Situation nach den Wahlen ändern.
Ein weiteres Beispiel für blinden Aktionismus habe es zuletzt beim E-Rezept gegeben: „Es kann nicht sein, dass wir seit über 20 Jahren an einer sicheren TI-Struktur für das E-Rezept arbeiten und dann fällt einem Minister in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ein ‚Können wir das nicht besser per SMS verschicken‘. Das geht nicht. Das wird das System nicht tolerieren.“
Dass all die Diskussionen verbunden mit Einsparungen in den Apotheken zu Nachwuchsproblemen führten, sei dabei nicht verwunderlich: „Wenn junge Menschen diesen Beruf ergreifen, brauchen sie auch eine Perspektive.“ Hier sei aber nicht nur die Standespolitik in der Pflicht, sondern alle Kolleg:innen: „Jede Inhaberin und jeder Inhaber muss sich fragen: Biete ich hier in meiner Apotheke einen Best Place?“
Doch auch in der politischen Arbeit sieht die Abda-Präsidentin die Basis in der Pflicht: „Wir sind ein kleiner Berufsstand. Unsere Geschlossenheit wird unser Erfolg sein.“ Bevor man über Maßnahmen wie Streik sprechen könne, müsse man ein Wir-Gefühl erzeugen. „Wenn Sie Ideen haben, wie uns das gelingen kann, sprechen Sie mich an.“ Overwiening: „Wir sind doch wichtig, das ist kein hohles Gerede, das ist doch Fakt. Jeder Einzelne bringt sich bitte ein!“
Allerdings findet Overwiening, dass die Apotheken durchaus gehört werden. „Politik ist aber nun einmal Güterabwägung, da wird so mancher ägerliche Kuhhandel betrieben.“ Als Beispiel nannte sie die Abschaffung der Importquote, die schon beschlossen war und dann im Kabinett mit einem saarländischen Wirtschaftsminister gestrichen worden sei.
Apothekerinnen und Apotheker sollten auch nicht immer auf die berufspolitischen Erfolge der Ärzte schauen, denn dort werde die Sache genau andersherum wahrgenommen. Selbst ein Treffen mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach steht demnächst endlich an – noch vor dem Deutschen Apothekertag (DAT) in der kommenden Woche in München soll es ein Gespräch geben.
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