Ja oder Nein: ABDA in der Impf-Falle Lothar Klein, 19.10.2018 12:30 Uhr
Mit seiner Andeutung, Apothekern das Impfen zu erlauben, hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), eine aufgeregte Diskussion bei den Ärzten ausgelöst und die ABDA in eine schwierige Position gebracht. Spahns Angebot ablehnen können die Apotheker nicht, aber darauf eingehen auch nicht. Das würde die Ärzte nur noch heftiger provozieren. Welche politischen Ziele Spahn mit seinem gezielten Vorstoß verfolgt, bleibt vorerst abzuwarten.
Jedenfalls sah sich jetzt die ABDA zu einer Stellungnahmen auf die Forderung des Deutschen Hausärzteverbandes (DHÄV) nach einem Dispensierrecht veranlasst. Daraus geht allerdings nicht hervor, welche Position die Standesvertretung tatsächlich zum Impfen vertritt: „Ärzte können Apotheker so wenig ersetzen, wie Apotheker Ärzte ersetzen können. Beide müssen zusammen dafür sorgen, dass die Versorgung der Patienten vor Ort funktioniert, gerade auch in ländlichen Gebieten. Kompetenzgerangel und der Rückfall in alte Revierkonflikte behindern uns bei dieser Aufgabe nur“, erklärte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt vieldeutig.
Die Trennung ärztlicher Tätigkeit von der Abgabe von Arzneimitteln sei aus gutem Grund ein Eckpfeiler des Gesundheitssystems. Sie schütze den Arzt davor, in seiner Therapieentscheidung durch wirtschaftliche Erwägungen kompromittiert zu werden. Und Apotheker hätten durch ihre spezialisierte Ausbildung in Sachen Arzneimittel in der Regel einen klaren Kompetenzvorsprung vor Ärzten. Das nutze den Patienten. „Ich sehe auch keinen Anlass, die Arbeitsteilung von Apotheker und Arzt in Frage zu stellen. Wir haben in Deutschland eine gute flächendeckende Arzneimittelversorgung durch Präsenzapotheken, Tag und Nacht, an 365 Tagen im Jahr. Da braucht es keine Ersatzlösung. Zudem sind gerade Hausärzte schon heute oft überlastet und mancherorts rar“, so Schmidt. „Warum sollte man sie mit weiteren Aufgaben überfordern?”
Zuvor hatten sich mehre Ärztefunktionäre zum Impf-Vorschlag von Spahn ablehnend geäußert. Der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, griff Spahn direkt an und nannte bezeichnete dies als „Schnapsidee“. „Derartig groteske Debattenbeiträge gefährden die Basis für einen vernünftigen und in einigen Fragen durchaus auch notwendigen Dialog über die Frage, welche Tätigkeiten in der medizinischen Versorgung gegebenenfalls auch durch andere Berufsgruppen vorgenommen werden könnten“, sagte Reinhardt.
So gehe es beim Impfen nicht um einen technischen Vorgang, der einmal so „nebenbei am Tresen“ erledigt werden könne, kritisierte Reinhardt. Die korrekte Impfindikation beziehungsweise das Vorliegen von Kontraindikationen unterlägen zu Recht dem Arztvorbehalt. „Bei allem Respekt vor der Ausbildung von Apothekern ist genau dieses eben dort nicht gewährleistet“, sagte Reinhardt. Der Bundesvorsitzende des DHÄV, Ulrich Weigeldt, hatte gleich zweifach in die Debatte eingegriffen: „Die Apotheker können beim Impfmanagement wichtige Aufgaben übernehmen, beispielsweise indem sie die Patienten auf bestehende Impflücken hinweisen“, sagte er. Die Impfung selbst müsse jedoch ohne Wenn und Aber bei einem Arzt durchgeführt werden.
Impfungen seien sehr sichere und wirkungsvolle Maßnahmen gegen eine Reihe schwerer Erkrankungen. In einzelnen Fällen könne es dabei aber, beispielsweise aufgrund bestimmter Allergien, zu Komplikationen kommen. Hier müsse ein Arzt unverzüglich eingreifen können. Es sei der falsche Ansatz, die Verantwortung auf immer mehr Schultern zu verteilen, sagte Weigeldt weiter. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) hatte Weigeldt zusätzlich ein eingeschränktes Dispensierrecht für Ärzte ins Gespräch gebracht.
Die ABDA hat sich zuletzt stets vorsichtig zum Impfen in Apotheken verhalten: Beim Wirtschaftsforum im April hatte DAV-Chef Fritz Becker der Politik noch angeboten, das niedrigschwellige, flächendeckende Versorgungsangebot der Apotheken auszubauen. Als Beispiele nannte Becker dabei Impfbereitschaft und Diabetesberatung: „Wir als Apothekerschaft sind bereit, neue Versorgungsangebote zu entwickeln und umzusetzen.“ Kurz darauf erklärte die ABDA allerdings einen DAT-Antrag aus dem Jahr 2017 „momentan nicht weiter zu lobbyieren“.
Beim DAT 2017 forderten die Delegierten die kommende Bundesregierung auf, „die Bemühungen zur Steigerung der Impfquote fortzuführen“ und „die vorhandenen heilberuflichen Kräfte in Deutschland zur Verbesserung der Durchimpfungsrate noch stärker als bisher zu bündeln“. Dazu seien „gemeinsam Konzepte zu entwickeln, die die niederschwellig und flächendeckend verfügbaren Kompetenzen der Apotheker sowohl beim Impfpass-Check als beispielsweise auch bei der Impfberatung oder bei der Durchführung von Auffrischungsimpfungen stärker als bisher nutzen, um so den hohen Bedarf sowohl an Aufklärungs- als auch Impfarbeit situationsgerecht und möglichst unkompliziert decken zu können“, lautete der Antrag der Apothekerkammer Berlin, der von den Delegierten in die Ausschüsse verwiesen wurde.
Im Bericht über die Behandlung der DAT-Anträge in den ABDA-Gremien aus dem letzten Jahr heißt es jetzt, dass „nach eingehender inhaltlicher Beratung im Geschäftsführenden Vorstand der ABDA“ und nach Abstimmung mit der Berliner Apothekerkammer beschlossen wurde, „die Durchführung von Impfungen in der Apotheke momentan nicht zu lobbyieren“. Voll unterstützen will die ABDA aber Aktionen, „die der Impfaufklärung dienen“.
Bei anderer Gelegenheit hatte die ABDA stets auf Modelle wie in Kanada verwiesen. Dort dürfen Apotheker in Regionen ohne Hausarztversorgung ergänzend impfen. Dagegen sprechen sich der Bundesverband der Apothekenkooperationen (BVDAK) und die Kooperation Gesund leben für Impfungen in der Apotheke aus.