Fernbehandlung

„Telemedizin soll Ärzte nicht ersetzen“

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Berlin -

Diagnose per Videokonferenz oder via E-Mail: Mit der Telemedizin sollen vor allem Patienten auf dem Land besser erreicht werden. Knapp 200 Projekte gibt es derzeit in Deutschland – von der Behandlung von Schlaganfallpatienten bis zum Telemonitoring von Patientendaten. Vor allem für Kliniken ist die Telemedizin interessant, um die Sektorengrenze zu überwinden. „Die Telemedizin kann Versorgungslücken schließen“, sagt Wolfgang Loos, Geschäftsführender Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin (DGTelemed) in Berlin.

ADHOC: Warum brauchen deutsche Patienten Telemedizin?
LOOS: Telemedizin ist die Erbringung medizinischer Dienstleistungen mithilfe moderner Kommunikationstechnologien über räumliche Entfernungen hinweg. Das spart Wege und Zeit. Beispiel Schlaganfallversorgung: Der Arzt macht die Voruntersuchungen und schickt die Bilder der Computertomographie an einen Neurologen in einer Klinik. Dann gibt es eine Videokonferenz mit dem Patienten und beiden Ärzten. So erspart das Telekonsil dem Patienten den Weg zum Facharzt, und in dringenden Fällen kann es ohne Zeitverzug sofort durchgeführt werden.
Ein anderes Beispiel: Beim Telemonitoring übermitteln Sensoren am Körper des Patienten den Blutdruck oder den Puls an ein Servicezentrum, wo die Daten erfasst und ausgewertet werden. Der Arzt greift über einen geschützten Online-Zugang auf die Daten zu und kann so bei einer bedrohlichen Entwicklung schnell reagieren.

ADHOC: Wie werden telemedizinische Leistungen abgerechnet?
LOOS: Das Schlaganfall-Telekonsil wird seit 2011 auf Basis des Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS) pauschal mit rund 1000 Euro abgerechnet. Alle anderen telemedizinischen Leistungen werden auf der Basis von Selektivverträgen vergütet – beispielsweise von der AOK, der Barmer GEK und der DAK. Genaue Zahlen über den Umfang haben wir leider nicht, da die Kassen diese nicht veröffentlichen.

ADHOC: Wie bewerten Sie Dienste wie DrEd?
LOOS: Ich bin absolut dagegen, denn das ist ein klassischer Fall von Fernbehandlung: Arzt und Patient sehen sich gar nicht. Der Arzt kennt die Vor- und die Krankengeschichte des Patienten nicht und weiß auch nicht, welche Medikamente er nimmt. Was wir dagegen unterstützen, ist das Projekt Medgate in der Schweiz. Das ist ein Telefonservice, bei dem der Patient beraten wird, ob er zum Arzt gehen soll oder beruhigt zu Hause bleiben kann.

ADHOC: In der Berufsordnung für Ärzte gibt es ein Fernbehandlungsverbot. Muss dieser Paragraph gestrichen werden?
LOOS: Nein, aber er muss modernisiert und präzisiert werden, denn er stammt aus einer Zeit, in der die Telemedizin noch nicht weit entwickelt war. In dem Paragraphen ist von einem Verbot der ausschließlichen Fernbehandlung die Rede, ein generelles Fernbehandlungsverbot gibt es jedoch nicht. Außerdem gibt es keine gesetzliche Definition der Fernbehandlung.
Wir gehen wie die Bundesärztekammer davon aus, dass Telemedizin Ärzte nicht ersetzen soll, sondern ihre Expertise dahin bringt, wo sie benötigt wird. Wir haben bereits neue Formulierungen für die Berufsordnung vorgeschlagen, diese wurden aber noch nicht genutzt. Wir werden weiter daran arbeiten, dass dieser Abschnitt der Musterberufsordnung so modifiziert wird, dass keine Missverständnisse mehr entstehen können.

ADHOC: Gab es denn schon mal ein Verfahren wegen eines Verstoßes gegen das Fernbehandlungsverbot?
LOOS: Nein, noch nie.

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