Interview Prof. Dr. Hilko Meyer

Mit Sanktionen gegen Lieferengpässe

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Berlin -

Lieferengpässe sind ein tägliches Ärgernis in Apotheken – und im schlimmsten Fall sogar ein Problem für die Patienten. Der Medizinrechtler Professor Dr. Hilko Meyer will endlich die Hersteller zur Verantwortung ziehen und zur Bevorratung verbindlich verpflichten. Mit APOTHEKE ADHOC sprach Meyer über eine zögerliche Regierung, leere Versprechen der Industrie und die Notwendigkeit von Sanktionen.

ADHOC: Verraten Sie uns Ihre Lösung für Lieferengpässe?
MEYER: Das Problem ist sicher nicht an einem Tag zu lösen. Aber was helfen würde, wäre eine gesetzliche Vorratspflicht der Hersteller – wenigstens für Arzneimittel gegen schwerwiegende Erkrankungen. Und – ganz wichtig – diese Pflicht müsste verbunden sein mit Sanktionsmöglichkeiten der zuständigen Behörden. Anders ausgedrückt: Die gesetzliche Pflicht der Hersteller zur bedarfsgerechten und kontinuierlichen Belieferung gibt es schon, aber sie muss auch durchgesetzt werden. Ohne Sanktionsmöglichkeiten ist die Lieferpflicht der Hersteller ein stumpfes Schwert.

ADHOC: Sie sind der Jurist – ist das zulässig?
MEYER: Das ist der springenden Punkt. Der Gesetzgeber tut sich schwer mit einer solchen Maßnahme, da sie einen Eingriff in die unternehmerische Freiheit der Hersteller darstellen würde. Diese Bedenken muss man ernst nehmen, das wäre sicher keine banale Regelung. So ungewöhnlich wäre es andererseits nicht: Für Apotheken und Großhändler sieht das Gesetz verbindliche Vorratspflichten vor. Apotheken müssen den Bedarf für diese Arzneimittel zwei Wochen decken können. Das ist übrigens auch ein unbestimmter Rechtsbegriff. Trotzdem kommt der Pharmazierat und zählt. Ich sehe nicht, warum man das Herstellern nicht ebenso auferlegen kann, zumal wenn sie faktisch die Mittel häufig nicht einmal selbst produzieren.

ADHOC: Welche Arzneimittel sollten auf der Liste stehen?
MEYER: Hier müssen Kriterien entwickelt werden, die eine Einzelfallentscheidung ermöglichen. Ich bin nicht berufen, dass zu tun. Dafür gibt es genug Arzneimittelexperten, die eine Liste mit den wichtigsten Medikamenten gut begründet erstellen können. Die Fraktion Die Linke im Bundestag hat zuletzt alle Vorschläge zusammengetragen, die es bislang hierzu gab. Man muss das Rad also nicht neu erfinden.

ADHOC: Die Politik wird doch aktiv. Heute gibt es einen Jour Fixe zu Lieferengpässen im Bundesgesundheitsministerium.
MEYER: Ja, aber man will das Ganze ohne gesetzliche Maßnahmen regeln. Es wird also wieder auf die Schwüre der Marktbeteiligten ankommen. Man wird sehen, was das bringt. Ich will das gar nicht grundsätzlich verdammen, aber die Pharmaverbände können keine rechtsverbindlichen Zusagen zu Lasten der Hersteller machen.

ADHOC: Die Politik müsste aus Ihrer Sicht mehr tun?
MEYER: Der Gesetzgeber war schon einmal weiter: 2012 hat die Bundesregierung ihre Pläne sogar in einer Gegenäußerung gegen Einwendungen aus dem Bundesrat verteidigt. Doch dann musste es wegen der Umsetzung einer EU-Richtlinie schnell gehen und die Lieferpflicht der Hersteller wurde aus dem Gesetzesvorhaben gestrichen. Eigentlich wollte man dann in Ruhe einen neuen Anlauf nehmen. Aber bislang ist nichts passiert.

ADHOC: Sehen Sie aktuell Bewegung?
MEYER: Es gibt ein laufendes Gesetzgebungsverfahren zur Novelle des Arzneimittelgesetzes. Und dabei fällt sogar das Stichwort Lieferengpässe. Ich bin jedoch überrascht, dass da so wenig kommt: Es wird nur über Transparenzmaßnahmen bei der Herstellung von Impfstoffen und Seren gesprochen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) soll die Chargenfreigaben veröffentlichen. Das ist wichtig, aber nur ein Ausschnitt des Marktes – und damit des Lieferproblems.

ADHOC: Wäre eine Vorratspflicht bei Impfstoffen denn umsetzbar, angesichts der Produktionszyklen und unkalkulierbarer Ausfälle?
MEYER: Bei Impfstoffen müssten man die Bereitstellungspflicht womöglich tatsächlich enger definieren. Bei Fertigarzneimitteln habe ich dagegen kein Verständnis dafür, dass wichtige Wirkstoffe über lange Zeiträume und wiederholt ausfallen. Hier müssen die Hersteller endlich in die Pflicht genommen werden. Auf den Goodwill der Industrie zu setzen, hat bisher nichts gebracht.

Professor Dr. Hilko J. Meyer lehrt an der Frankfurt University of Applied Sciences und forscht dort am Zentrum für Gesundheitswirtschaft und -recht (ZGWR) zum deutschen und europäischen Wirtschaftsrecht und Gesundheitsrecht. Das ZGWR versteht sich als Plattform für die interdisziplinäre, fachbereichsübergreifende Kooperation.

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