Prof. Dr. Achim Wambach (Monopolkommission)

Ohne Preisdruck ist der Service zu teuer

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Berlin -

Ein Apothekensterben befürchtet Professor Dr. Achim Wambach nach dem EuGH-Urteil nicht. Der Chef Monopolkommission würde Rx-Boni für alle erlauben, in ihrer Höhe aber deckeln. Damit würden nach seiner Einschätzung Wettbewerb und Qualität im Markt steigen. APOTHEKE ADHOC interessierte, wie er darauf kommt.

ADHOC: Warum ist Ihnen jegliche Regulierung des Apothekenmarktes ein Dorn im Auge?
WAMBACH: Man tut der Monopolkommission Unrecht, wenn man ihr unterstellt, sie wolle alle Regeln aufheben. Wettbewerb funktioniert nicht regelfrei. Er findet immer unter Regeln statt – etwa dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Im Gesundheitsbereich mit seinen hohen Wissensasymmetrien gilt das im Besonderen.

ADHOC: Dennoch fordern Sie eine Liberalisierung mit der Brechstange.
WAMBACH: Das stimmt nicht. Drastische Eingriffe muss man in einem komplexen System vermeiden, sich stattdessen Schritt für Schritt bewegen.

ADHOC: Sie fordern Ketten und freie Preise.
WAMBACH: Wir finden es legitim, zum Beispiel die Honorarordnung und das Mehrbesitzverbot zu hinterfragen. Das machen wir in anderen Wirtschaftsbereichen, in denen es Wettbewerbsdefizite gibt, auch.

ADHOC: Was funktioniert nicht mit dem Wettbewerb im Apothekenmarkt?
WAMBACH: Ein wesentliches Wettbewerbsinstrument, der Preis, bleibt bei den verschreibungspflichtigen Medikamenten außen vor. Die damit verbundenen Steuerungswirkungen entfallen. Die Servicequalität kann damit zu niedrig oder zu hoch ausfallen.

ADHOC: Die Qualität im Apothekenmarkt ist zu hoch?
WAMBACH: Zunächst kann man nur sagen, dass der Markt Schwächen hat. Wenn man mehr Wettbewerb zulässt, wird das auch andere Elemente beleben, etwa beim Service. Aus diesem Grund haben wir schon vor einiger Zeit eine Servicepauschale vorgeschlagen.

ADHOC: Mit freien Preisen auf Apothekenebene?
WAMBACH: Die heutigen Festpreise in Form der Packungspauschale werden ja auch ausgehandelt und sind das Produkt verschiedener Faktoren. Ob die Zulassung von Boni gegenüber den Endkunden in Form eines Nachlasses bei der Zuzahlung Auswirkungen auf die Packungspauschale hat, die die Krankenkassen an die Apotheker zahlen, wird man erst mit der Zeit sehen.

ADHOC: Sie würden das ausprobieren?
WAMBACH: Wir haben jetzt als neuen Tatbestand das EuGH-Urteil und die Regierung muss prüfen, wie man am besten darauf reagiert. Hauruck-Lösungen sind nie gut – das geplante Rx-Versandverbot wäre so eine Hauruck-Lösung. Ich schlage vor, Rx-Boni für alle zugänglich zu machen, sie aber gleichzeitig auf die Hälfte der gesetzlichen Zuzahlung zu deckeln.

ADHOC: Sie räumen selbst ein, dass ein Teil der Bevölkerung sich von einem Bonus locken lassen und Wartezeiten in Kauf nehmen würde.
WAMBACH: Man darf den Markt nicht statisch betrachten. Wettbewerb hat viele Dimensionen: In der Apotheke beispielsweise entscheidet die Qualität der Beratung, ob Arzneimittel verfügbar sind oder geliefert werden, wie sympathisch das Personal ist, ob dem Kunden die Einrichtung gefällt und so weiter. Mit dem Preis käme nun eine weitere Dimension dazu, die wie bereits gesagt, zudem gedeckelt wäre.

ADHOC: Die Gesundheitspolitiker wollen gerade vermeiden, dass der Patient sich zwischen Preis und Qualität entscheiden muss.
WAMBACH: Wenn Apotheker vor Ort mit gutem Service punkten, wird der Preis eine nachrangige Rolle spielen. Meine Erwartung wäre nicht, dass sich in Apotheken nach Einführung eines Preiswettbewerbs die Qualität verschlechtern würde.

ADHOC: Mit welchen Auswirkung auf den Apothekenmarkt rechnen Sie dann?
WAMBACH: Wenn Sie mich fragen, ob eine begrenzte Preisfreigabe gar keine Auswirkung auf den Markt hätte, würde ich sagen: Doch sicher! Aber die Sorge, dass es bei gedeckelten Boni ein Apothekensterben gibt, die teile ich nicht.

ADHOC: Wie viele Apotheken haben heute einen kritischen Rohgewinn?
WAMBACH: Dazu habe ich keine Zahlen.

ADHOC: Wie hat sich denn der Marktanteil ausländischer Versandapotheken seit Oktober entwickelt?
WAMBACH: Umsatzzahlen dazu liegen mir nicht vor. Aber eine solche Momentaufnahme würde auch nicht das Endergebnis zeigen. Noch dürfen die Apotheken in Deutschland ja nicht preislich reagieren.

ADHOC: Welchen Betrag könnte man dem System aus Ihrer Sicht entziehen, bevor es zu Versorgungsengpässen kommt?
WAMBACH: Ich bin gar nicht sicher, ob die meisten Apotheken reagieren würden, wenn sie die Möglichkeiten hätten, Rx-Boni zu gewähren. Der Wettbewerb ist etwa dort geringer, wo es weniger Apotheken gibt.

ADHOC: Sagten Sie nicht, der Versandhandel sei auf dem Land besonders wichtig?
WAMBACH: Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Preiswettbewerb Folgen auch für Landapotheken hätte. Aber vorsorglich den Wettbewerb auch dort zu schwächen, wo er die Versorgung verbessern würde, halte ich für falsch. Wenn sich eine Apotheke an einem bestimmten Standort tatsächlich nicht lohnt, aber gleichzeitig ein öffentliches Interesse daran besteht, dort eine Apotheke zu haben, sollte man auch an andere Instrumente denken. Man könnte diese Apotheke beispielsweise ausschreiben.

ADHOC: Die Monopolkommission schlägt Subventionen vor?
WAMBACH: Wenn die Daseinsvorsorge nicht gesichert ist, müsste man diesen besonderen Dienst subventionieren. Das gibt es in anderen Bereichen auch. Aber davon sind wir im Apothekenmarkt aus meiner Sicht noch weit entfernt.

ADHOC: Verstehen Sie, dass Gesundheitspolitiker Ihrer rein ökonomischen Empfehlung nicht folgen?
WAMBACH: Ich denke nicht, dass man das voneinander trennen kann. Ob Wirtschafts- oder Gesundheitspolitik – am Ende haben alle dasselbe Ziel: eine gute Versorgung mit hoher Qualität zu akzeptablen Preisen.

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