Friedemann Schmidt hat es geschafft. Nach acht Jahren als ABDA-Vize ist er nun der erste Vertreter der deutschen Apotheker. Obwohl – oder gerade weil – der Berufsstand in einer schwierigen Situation steckt, blickt Schmidt nach vorne. Er will das Berufsbild weiterentwickeln und seinen Kollegen neue Handlungsspielräume erschließen. APOTHEKE ADHOC sprach mit Schmidt über das mangelnde Selbstbewusstsein als Apotheker, die Notwendigkeit zur Veränderung und die Inszenierung als ABDA-Präsidenten.
ADHOC: Was könnten die Apotheker vom ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt erwarten?
SCHMIDT: In den kommenden Jahren müssen wir die Weichen für die Weiterentwicklung unseres Berufs stellen. Das funktioniert aber nicht, wenn wir uns weiterhin durch einen Mangel an Selbstbewusstsein auszeichnen. Wir müssen wieder auf Augenhöhe mit unseren Partnern im Gesundheitswesen kommunizieren. Mein erstes Ziel ist es daher, den Berufsstand zu neuer Stärke von innen heraus zu führen.
ADHOC: Selbstbewusstsein wird Apothekern schnell als Standesdünkel ausgelegt.
SCHMIDT: Ein gesundes Maß an Berufsehre gehört in einer strukturierten Gesellschaft wie der unseren dazu. Viele Menschen finden Halt in ihrer Arbeit, übrigens auch solche, die uns kritisch sehen. Das ist doch nichts Verwerfliches.
ADHOC: Brauchen die Apotheker einen inszenierten ABDA-Präsidenten?
SCHMIDT: Ich finde, Inszenierung gehört zum politischen Geschäft dazu. Je besser Sie Ihren Beruf verkörpern, desto eher werden Sie als Ansprechpartner von Politik und Marktpartnern wahrgenommen. Sehen Sie nur, welche Strahlkraft der ehemalige Vorsitzende der Bundesärztekammer, Professor Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, hatte. Sie können die großen Themen nicht angehen, wenn Sie nur in den Niederungen des Alltags gefangen sind.
ADHOC: Also öffnet sich die ABDA neuen Entwicklungen?
SCHMIDT: Wir brauchen zunächst eine Bestandsaufnahme: Welche Strukturen sind wertvoll, welche tradiert. Werte, die wir vor zehn Jahren hatten, gelten heute nicht mehr, weil die Gesellschaft sich anders entwickelt hat. Wir haben definitiv Nachholbedarf, sonst wird man uns in einen Wettbewerb mit günstigeren Vertriebskanälen drängen – auch unter bewusster Inkaufnahme von Risiken für den Verbraucher. Dem entgehen wir aber nicht durch Rückzugsgefechte. Wir müssen Alternativen bieten.
ADHOC: Geht es doch wieder um Geld?
SCHMIDT: Das Honorar ist der Schlüssel zu strukturellen Änderungen. Wir müssen ein Anreizsystem schaffen, das neue Leistungen nach vorne bringt. Die reine packungsbezogene Vergütung birgt zu viele Risiken: Mit größeren Packungen und individuellen Blistern funktioniert die jetzige Honorierung nicht mehr. Dazu kommen neue Arzneiformen, die die Apotheke zu verlieren droht. Und im Generikabereich kommen wir bei der aktuellen Preisentwicklung irgendwann auf Zuschläge von 1000 Prozent und mehr, die auf Dauer nicht zu vermitteln sind.
ADHOC: Welche neuen Leistungen schweben ihnen vor?
SCHMIDT: Wir sind eine der ersten Anlaufstellen im Gesundheitswesen. Über uns kommen viele Patienten ins System. Also können wir eine Lotsenfunktion übernehmen. Wir wollen und können keine Diagnose stellen, aber wir könnten den Patienten helfen, ihre Risiken einzuschätzen: Wer muss zum Arzt? Wer braucht ein Arzneimittel? Wer kommt ohne Behandlung aus? Hier können wir uns als Ansprechpartner profilieren.
ADHOC: Die Ärzte werden skeptisch sein.
SCHMIDT: Wir wollen nicht in Konkurrenz zu den Medizinern treten. Aber die ausschließliche Fokussierung auf den Arzt kann sich das Gesundheitssystem bei knapper werdenden Ressourcen nicht mehr leisten. Wenn jeder Patient mit jedem Problem zum Arzt geht, kollabiert das System irgendwann. Wir sind heute zu vorsichtig, ergänzende Leistungen anzubieten. Selbst medizinische Hilfsberufe sind uns da weit voraus.
ADHOC: Und die heute aktive Generation? Wie verhindern Sie, dass sich Kollegen überfordert fühlen?
SCHMIDT: Wir wollen zunächst die Apotheke als Grundversorgungseinrichtung stärken. Es geht darum, den Patienten besser zu helfen, mit ihrer jeweiligen Situation umzugehen. Das kann jede Apotheke leisten. Das Ganze wird auch keine Hauruck-Aktion. Wir werden einen fließenden Übergang haben, der sich über Jahre hinziehen wird und den alle mitgehen können, die das wollen.
ADHOC: Beim ABDA/KBV-Modell funktioniert dieser Ansatz ja bislang nicht wirklich.
SCHMIDT: Es ist eine Sensation, dass wir es geschafft haben, uns mit den Ärzten auf ein gemeinsames Konzept zu verständigen. Dass wir immer noch nicht in der Praxis sind, mag dem Zeitpunkt geschuldet sein oder der Komplexizität. Heute würde ich das Modell vielleicht einfacher gestalten, um schneller zum Ziel zu kommen. Ich bin sehr optimistisch, dass wir das Konzept noch umsetzen werden. Aber wenn es doch nicht sofort gelingen sollte, heißt das nicht, das solche gemeinsamen Versorgungsmodelle prinzipiell gescheitert sind.
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