Deutliche Worte hatte FDP-Gesundheitsexperte Lars Lindemann unlängst für das Verhalten des GKV-Spitzenverbands gefunden. Er gibt den Kassen die Schuld, dass es noch immer keine aut-idem-Liste gibt und will das Ungleichgewicht in der Selbstverwaltung auflösen. Zuletzt war Lindemann selbst in die Kritik geraten, weil er als Abgeordneter zum Hauptgeschäftsführer des Spitzenverbands Fachärzte Deutschlands gewählt wurde. Mit APOTHEKE ADHOC sprach er auch über seine persönlichen Pläne für die Zeit nach der Bundestagswahl.
ADHOC: Ignorant, anmaßend, unerträglich – Sie sind derzeit nicht so gut auf die Kassen zu sprechen?
LINDEMANN: Wir haben nur etwas deutlicher darauf hinweisen wollen, dass es ein obstruktives Element gibt an einer Stelle, an der es nicht angebracht ist. Der GKV-Spitzenverband verschiebt seine Entscheidungen auf der Zeitachse immer wieder nach hinten. Das hat nicht immer gravierende Folgen, aber beim aktuellen Beispiel der Substitutionsliste leiden darunter in der Zwischenzeit Patienten und das darf nicht sein.
ADHOC: Wo liegt das Problem?
LINDEMANN: Es gab zwei Anhörungen im Gesundheitsausschuss und einen einstimmigen Beschluss, dass bis August eine Wirkstoffliste vorgelegt werden soll. Die Apothekerseite hatte geliefert, bei den Kassen hieß es immer nur, das alles sehr schwierig sei. Das ist mir zu wenig. Bis heute gibt es keine offizielle Reaktion seitens des GKV-Spitzenverbands an dieses Gremium des Deutschen Bundestags, warum die Frist nicht eingehalten wurde. Da fühlen wir uns nicht ernst genommen.
ADHOC: Mit welchen Konsequenzen?
LINDEMANN: Das wird dazu führen, dass wir darüber nachdenken, ob der GKV-Spitzenverband eine Rolle hat oder zu haben glaubt, die der Selbstverwaltung abträglich ist. Und dann werden wir überlegen, ob wir da nachjustieren müssen. Die Frage ist, ob die Machtbalance in der Selbstverwaltung richtig hergestellt ist. Derzeit haben die Kassen aus meiner Sicht ein Übergewicht.
ADHOC: Würden Sie den GKV-Spitzenverband oder die einzelnen Kassenverbände abschaffen?
LINDEMANN: Es geht nicht darum, die Struktur grundsätzlich infrage zu stellen. Vielleicht ist das Problem auch bei der Willensbildung im Kassenlager zu suchen. Dann müsste man dort das Innenverhältnis überarbeiten. Ich habe dazu noch keine abgeschlossene Meinung, aber so kann es nicht weitergehen.
ADHOC: Wie geht es denn bei Ihnen weiter nach dem 22. September?
LINDEMANN: Das entscheidet der Wähler und danach gegebenenfalls meine Fraktion.
ADHOC: Geschäftsführer eines Verbandes der Facharztlobby und Gesundheitspolitiker – geht das überhaupt?
LINDEMANN: Wenn meine Fraktion von mir möchte, dass ich künftig Gesundheitspolitik mache, dann werde ich eine sehr klare Entscheidung treffen. Aber erst nach dem 22. September.
ADHOC: Und bis dahin gibt es keinen Interessenskonflikt?
LINDEMANN: Wir treffen jetzt keine gesundheitspolitischen Entscheidungen mehr. Und sollte es doch noch der Fall sein, weiß ich, wann ich mich zu enthalten oder den Raum zu verlassen habe. Das kann man schon von mir erwarten.
ADHOC: Werden Sie nach dem 22. September dem Deutschen Bundestag angehören?
LINDEMANN: Wie gesagt, das entscheidet der Wähler. Wenn Sie nach derzeitigen Umfragewerten fragen – eher nein.
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