Im politischen Berlin haben die Internetärzte von DrEd keinen größeren Gegner als Johannes Singhammer (CSU). Der Unions-Fraktionsvize sieht in Ferndiagnosen einen gezielten Angriff auf die Versorgungsstrukturen und auf die Patientensicherheit. Im Interview erklärt er, warum sich Apotheker nicht auf das Konzept einlassen sollten und wie er in der nächsten Legislaturperiode mit dem Thema umgehen will.
ADHOC: Sie haben erklärt, Sie seien „entsetzt“ über die Kooperation zwischen Ordermed und DrEd. Warum?
SINGHAMMER: Solche Modelle sind meiner Meinung nach eine sehr gefährliche Entwicklung – und zwar ganz unabhängig vom konkreten Produkt. Hier wird eine Tür geöffnet, mit der sich der direkte Kontakt des Patienten zum Arzt und zum Apotheker in großem Stil umgehen lässt.
ADHOC: Warum ist das ein Problem?
SINGHAMMER: Es geht ja nicht nur um diesen konkreten Einzelfall. Man braucht nicht viel Phantasie um zu erkennen, dass auf diese Weise auch andere verschreibungspflichtige Produkte angeboten werden könnten. Das gefährdet nicht nur die bestehenden Strukturen der ärztlichen und apothekerlichen Versorgung, sondern auch das Solidarsystem: Für den Patienten steigt das Risiko enorm, wenn niemand mehr im persönlichen Gespräch die Medikation prüft. Die Folgekosten für Fehldiagnosen oder Komplikationen muss im Zweifelsfall die Solidargemeinschaft übernehmen.
ADHOC: Was tun?
SINGHAMMER: Ich rate allen an dem geplanten Modell Beteiligten, sich die Konsequenzen genau zu überlegen. Die trickreiche Umgehung der Verschreibungspflicht nützt am Ende nur dem Versandhandel.
ADHOC: Wäre nicht eher die Politik gefragt?
SINGHAMMER: Unbedingt. Der Kontakt zwischen Patient und Arzt oder Apotheker findet nicht so statt, wie sich der Gesetzgeber das vorstellt. Hier wird das bestehende Schutzniveau ausgehöhlt.
ADHOC: Hat der Gesetzgeber Handlungsmöglichkeiten?
SINGHAMMER: Ja. Wir haben das Modell und die Optionen bereits rechtlich prüfen lassen. Das Thema ist allerdings komplex und wird demnächst noch komplizierter: Durch die EU-Richtlinie zur Anerkennung ausländischer Rezepte werden solche Modelle gewissermaßen legitimiert – mit unabsehbaren Folgen.
ADHOC: Was ist zu tun?
SINGHAMMER: Wir müssen das Arzneimittelgesetz dahingehend ändern, dass Rezepte nur nach direktem persönlichen Arztkontakt ausgestellt werden können. Das ist europarechtlich möglich, denn der Gesundheitsschutz ist nationale Angelegenheit. Wir wollen keine Vergemeinschaftung auf niedrigstem Niveau.
ADHOC: Wie geht es weiter?
SINGHAMMER: Ich sehe eine große Eilbedürftigkeit, denn wie gesagt: Die Pille danach ist nur der Einstieg – der Wellenbrecher sozusagen. Wir müssen ganz rasch handeln – das ist eines der dringendsten Vorhaben in der neuen Legislatur.
ADHOC: Erst einmal müssen Sie einen Koalitionspartner finden.
SINGHAMMER: Wir haben den Auftrag und wollen rasch regieren. Aber es braucht auch Zeit, um die notwendigen Gespräche zu führen und die gemeinsamen Positionen zu finden.
ADHOC: Wohin geht die Reise?
SINGHAMMER: Nur soviel: Die Sozialdemokraten regieren bereits heute mit: Über den Bundesrat können sie Gesetze mit beeinflussen und das tun sie auch. Insofern wäre eine Großen Koalition keine völlig ungewöhnliche Situation.
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