Interview Jens Spahn (CDU)

„Überzeugen Sie die SPD und wir sind dabei!”

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Berlin -

Fast ein Jahr lang ging es gesundheitspolitisch gemütlich zu. Doch für Herbst haben Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und die Gesundheitsexperten der Fraktionen sich gleich drei Gesetzesvorhaben auf die Agenda gesetzt. Im Interview erklärt der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), womit die Apotheker rechnen können und worauf sie lieber nicht hoffen sollten.

ADHOC: Gesundheitspolitisch ist wenig passiert seit dem Regierungswechsel. Die Ruhe vor dem Sturm?
SPAHN: Diesen Eindruck kann ich nicht nachvollziehen. Im Gegenteil, wir haben in den ersten neun Monaten ein straffes Programm durchgezogen: Zwei Arzneimittelgesetze, eine Finanzierungsreform und die Bund-Länder-AG zur Zukunft der Krankenhäuser und die Pflegereform laufen auf vollen Touren. Und jetzt im Herbst machen wir uns an das Versorgungsstärkungsgesetz. Von Ruhe also keine Spur.

ADHOC: Was haben die Apotheker von Versorgungs-, Präventions- und E-Health-Gesetz zu erwarten?
SPAHN: Grundsätzlich gilt, was im Koalitionsvertrag steht. Und da gibt es ein klares Bekenntnis zur inhabergeführten Apotheke. Von daher haben die Apotheker schon mal nichts zu befürchten. Im Gegenteil, wir wollen insbesondere beim Medikationsmanagement ihre Kompetenz noch stärker als bisher nutzen!

ADHOC: Wird es sonst ein größeres Reformgesetz geben?
SPAHN: Naja, ich finde, das ist alles schon mal ziemlich viel und anspruchsvoll. Danach sehen wir weiter.

ADHOC: Warum ist die Festschreibung des Kassenabschlags sinnvoll? Hat die Selbstverwaltung versagt?
SPAHN: Die Selbstverwaltung aus GKV-Spitzenverband und Deutschem Apothekerverband waren jedenfalls zu oft so festgefahren, dass am Ende die Schiedsstelle entscheiden musste. Und dann wurde auch noch dagegen geklagt. Das ist eigentlich nicht Sinn der Sache. Aus ordnungspolitischer Sicht wäre es richtig, an der Verhandlungslösung festzuhalten. Aber wenn beide Verhandlungspartner, die sich sonst auf herzlich wenig einigen können, plötzlich bei einem Punkt einig sind, nämlich dem, den Abschlag gesetzlich festzuschreiben, dann sollten wir das sorgsam erwägen. Ich persönlich könnte dem jedenfalls etwas abgewinnen.

ADHOC: Erhalten die Apotheken eine „faire“ Vergütung?
SPAHN: Also ganz so düster sieht es ja gar nicht aus. In der letzten Legislaturperiode haben wir den Apothekenzuschlag um 25 Cent auf 8,35 Euro je Packung erhöht. Das bedeutete eine Aufstockung der Apothekenhonorierung um rund 190 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Mit dem Apothekennotdienstsicherstellungsgesetz haben wir den Apotheken weitere 120 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, von denen insbesondere Apotheken auf dem Land profitieren. Ohne Zweifel muss das Apothekenhonorar immer wieder auf Basis der aktuellen Entwicklungen angepasst werden. Darüber entscheidet – wie bei anderen Freien Berufen auch – die Bundesregierung in einer Verordnung, dabei sollte es bleiben.

ADHOC: Worauf können die Apotheker noch hoffen?
SPAHN: Wir haben mit der Notdienstvergütung erstmalig eine Leistung finanziert, die nicht an die Abgabe einer Packung anknüpft und die der Sicherstellung der Versorgung dient. Und 250 Euro pro Nachtdienst sind doch schon eine deutliche Verbesserung. Drei Quartale sind abgerechnet, wir werden uns anschauen, wie viel am Ende unter dem Strich steht und ob es einen Nachschlag braucht. Aus meiner Sicht sollten die BtM-Gebühr und der Rezepturzuschlag nach langer Zeit mal wieder angepasst werden. Aber es gilt der Koalitionsvertrag. Und dazu steht da nichts drin. Überzeugen Sie die SPD und wir sind dabei! Bei den restlichen Themen sehe ich derzeit ehrlich gesagt keinen weiteren finanzwirksamen Handlungsbedarf.

ADHOC: 14.000 Euro Retax für ein vergessenes Kreuz: Können Sie das verstehen
SPAHN: Wir nehmen das Thema als Union sehr ernst. Im Koalitionsvertrag haben wir bereits fest vereinbart, ungerechtfertigte Regressforderungen bei Retaxationen gegenüber Heilmittelerbringern zu unterbinden. Wir werden uns im Rahmen des Versorgungsstärkungsgesetzes dafür einsetzen, auch bei unsachgerechten Retaxationen bei Arzneimitteln zu Verbesserungen zu kommen. Dass kleine Formfehler dazu führen, dass die Kassen die Zahlung vollständig verweigern, muss abgestellt werden. Aber uns muss natürlich auch daran gelegen sein, dass Rezepte ordnungsgemäß ausgefüllt werden. Eine gute Praxissoftware wäre schon die halbe Miete.

ADHOC: Wie bewerten Sie die rückläufige Apothekenzahl?
SPAHN: Also, ich sehe kein Apothekensterben. Das ist mir zu undifferenzierte Panikmache. Wir wollen auf jeden Fall sicherstellen, dass die Menschen in ländlichen Regionen nach wie vor möglichst nah eine Apotheke vorfinden. Deshalb werden wie gesagt die Apotheken in der Fläche, die häufiger Notdienste machen müssen, besser vergütet. Über weitere Zuschläge oder auch flexiblere, mobile Lösungen wie Bringdienste sollten wir gemeinsam mit den Apothekern nachdenken – und das bitte ohne Schaum vorm Mund. Da wird einem ja immer alles Mögliche unterstellt...

ADHOC: Warum haben Sie sich zuletzt so aus der Gesundheitspolitik zurückgezogen?
SPAHN: Ich bin noch genau so bei der Gesundheitspolitik dabei wie vorher. Wir setzen den Koalitionsvertrag wie vereinbart Schritt für Schritt um. Da da alles ziemlich eindeutig drin steht, gibt es vielleicht weniger öffentlichkeitswirksamen Streit als in der letzten Legislatur. Aber das muss ja kein Schaden sein.

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