Interview Hilde Mattheis (SPD)

„Keine Moralpredigt in der Apotheke“

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Berlin -

Die „Pille danach“ ist ein gesundheitspolitischer Zankapfel der Großen Koalition. Die Union und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) wollen an der Rezeptpflicht festhalten, die SPD ist für den OTC-Switch. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Sozialdemokraten, Hilde Mattheis, glaubt an die Beratungskompetenz der Apotheker. Im Gespräch mit APOTHEKE ADHOC erklärt die SPD-Politikerin, warum die Pille danach bei den Apothekern gut aufgehoben ist und was sie von moralisierenden Ärzten hält.

ADHOC: Können Apotheker die Pille danach rezeptfrei abgeben?
MATTHEIS: Bei der Pille danach muss eine Beratung und die Einnahme sehr schnell erfolgen. Nach meiner Überzeugung sind Apotheker durchaus in der Lage und aufgrund ihrer Berufsordnung auch verpflichtet, eine ordentliche Beratung zu leisten. Ich kann nicht verstehen, dass es beispielsweise in meinem Wahlkreis Apotheker gibt, die sich für eine Beibehaltung der Rezeptpflicht aussprechen. Aus meiner Sicht stellen sie damit ihren eigenen Berufsstand in Frage.

ADHOC: Ist eine gute Beratung auch im Notdienst möglich?
MATTHEIS: Natürlich ist die Situation an einer Notdienstklappe nicht ideal. Im ärztlichen Notdienst ist die Intimsphäre aber vermutlich auch nicht immer gewährleistet. Und in Bayern übernehmen sogar Orthopäden den Notdienst. Ohne dieser Berufsgruppe zu nahe treten zu wollen: Wo ist denn da bitte die Qualität der Beratung?

ADHOC: Sollte es Beschränkungen für die Abgabe geben?
MATTHEIS: Diskutiert wird, ob die Abgabe ohne Rezept – wie in der Schweiz – erst für Frauen ab 18 Jahren erlaubt sein soll. Im Gespräch war auch, dass die Frau das Medikament selbst abholen muss, um die Beratung zu garantieren. Hier sind wir guten Argumenten nicht verschlossen. Aber unser Hauptpunkt ist derzeit: Warum soll die Pille danach in 79 Ländern rezeptfrei erhältlich sein, nur in Italien, Polen und bei uns nicht?

ADHOC: Sollte die Pille danach für den Versandhandel gesperrt werden?
MATTHEIS: Da möchte ich mich noch nicht festlegen. Bei Versandapotheken ist die Beratungssituation ohne Frage eine andere. Ich bezweifele ohnehin, dass Frauen in so einer Situation noch auf die Post warten würden. Es ist viel logischer, dass sie den Gang zur Apotheke antreten.

ADHOC: Kritiker befürchten, Frauen könnten sich das Präparat „auf Vorrat“ legen.
MATTHEIS: Dieses Argument wird, mit Verlaub, meistens von Männern vorgebracht. Die Pille danach ist kein Verhütungsmittel und es gibt auch überhaupt keine Erfahrungen, dass diese Präparate so eingesetzt werden. Ich habe keine Lust, im Jahr 2014 noch über das Selbstbestimmungsrecht der Frau zu diskutieren.

ADHOC: Die Ärzte beanspruchen für sich, eine weitergehende Aufklärung leisten zu können.
MATTHEIS: Jeder kann über eine gute Beratung zu einer Einsicht kommen. Aber ich wehre mich dagegen, dass sich die Frauen erst noch in einen „Beichtstuhl“ setzen müssen. Sie sind nie gefeit davor, dass der Arzt oder Apotheker moralisch auftritt. Apotheker sind aber aus meiner Sicht in der Lage, bei dem Thema rein medizinisch zu beraten. Lebenseinstellungen zu bewerten, gehört nicht zu ihren Aufgaben.

ADHOC: Wie wollen Sie Ihren Koalitionspartner überzeugen?
MATTHEIS: Natürlich sind wir in der Koalition ein Stück weit eingebunden. Aber es wird immer wieder Themen geben, bei denen klar wird, dass es sich in der Koalition um unterschiedliche Parteien handelt. Die SPD hat sich in dieser Frage klar positioniert. Aber guten Argumenten aufgeschlossen zu sein gehört auch zu einer guten Zusammenarbeit.

ADHOC: Die Linke hat einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der Ihre Position fast 1:1 wiedergibt. Werden Sie zustimmen?
MATTHEIS: Wir sind nicht in dem Stadium, wo wir so etwas entscheiden müssen. Die Diskussion über die Pille danach läuft gerade. In Europa wird derzeit über die Entlassung von Ulipristal aus der Rezeptpflicht nachgedacht. Diesen Prozess können wir abwarten.

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