Für die Apothekerkammern hat Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas von der Freiburger Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen ausgiebig gegen Rx-Boni gekämpft. Vom EuGH-Urteil ist er entsetzt, auch war er selbst nicht beteiligt. Mit APOTHEKE ADHOC sprach er über die Pläne der ABDA, die Rechte der Apotheker und warum er jetzt vor allem gespannt auf die Krankenkassen blickt.
ADHOC: Wie haben Sie die ersten Tage nach dem EuGH-Urteil erlebt?
DOUGLAS: Natürlich haben sich viele Apotheker bei mir gemeldet und gefragt, wie sie sich jetzt verhalten sollen. Aber das kann man nicht pauschal beantworten, zumal ja erst nach und nach deutlich wird, wie aggressiv die Versender den Markt bearbeiten. Jede Apotheke muss für sich entscheiden, ob sie jetzt Rx-Boni gewährt und Ärger mit der Aufsicht in Kauf nimmt. Das Recht, eine aus eigener Sicht nicht mehr haltbare Regelung rechtlich überprüfen zu lassen, hat übrigens jeder Staatsbürger. Deshalb finde ich es befremdlich, in welchem teilweise martialischen Ton den Apothekern hier gedroht wird. Die Entscheidung über die rechtlichen Konsequenzen der Inländerdiskriminierung sollte den Gerichten überlassen werden – in sachlichem Ton. Die Mehrzahl der Apotheker haben mich übrigens gefragt, wann denn das Rx-Versandverbot in Kraft tritt.
ADHOC: Und was haben Sie geantwortet?
DOUGLAS: Die Wahrscheinlichkeit für ein Rx-Versandverbot sehe ich bei rund 0 Prozent. Das erscheint mit schon politisch nicht wirklich gewollt, vor allem in der SPD. Und nach zwölf Jahren mit Versandhandel hätte der Gesetzgeber auch rechtlich einige Mühe, diesen plötzlich erforderlich werdenden Eingriff in die Berufsfreiheit zu rechtfertigen. Das ist nicht wie bei einer Steuererhöhung für Alkopops, wo es eine besorgniserregende Entwicklung beim Trinkverhalten Jugendlicher gab und der Gesetzgeber gegensteuern musste. Es müsste sich daher um Fragen handeln, die unmittelbar mit dem Versand zusammenhängen, etwa der Temperaturführung im Versandhandel: Warum gelten beim Versand an den Endkunden nicht ähnliche Vorgaben wie beim Großhandel?
ADHOC: Sehen Sie denn ein anderes Gegenmittel?
DOUGLAS: Das ist sehr schwierig. Ich denke, dass es jetzt auch auf die Krankenkassen ankommt. Im Rahmenvertrag zur Arzneimittelversorgung steht schon heute, dass sich die beigetretenen Apotheken an Recht und Gesetz halten müssen, dazu zählt die Arzneimittelpreisverordnung. Die Kassen könnten jetzt klarstellen: Wer Rabatte gewährt, wird auf Null retaxiert. Auf so eine vertragliche Grundlage hätte der EuGH wohl auch keinen Zugriff.
ADHOC: Wieso sollten die Kassen das tun?
DOUGLAS: Wenn sich die GKV jetzt nicht zu den Apotheken bekennt, heißt das für mich, dass sie den Selektivvertrag will. Entweder die Kassen halten den Kollektivvertrag noch immer für die beste Lösung zur flächendeckenden Arzneimittelversorgung – oder sie senken den Daumen über den Apotheken.
ADHOC: Die Kassen schielen doch schon auf Verträge mit Versendern.
DOUGLAS: Sie sollten aber bedenken, dass letztlich ihre Rabattverträge an den festen Arzneimittelpreisen hängen. Die Entscheidung zur Reichweite der Preisbindung wird sich die gesamte Lieferkette hocharbeiten: über den Großhandel, zum Hersteller und in letzter Konsequenz bis zur Krankenkasse und ihren Rabattverträgen. Wenn die Kassen das erkennen, werden sie vielleicht auf ein vermeintlich attraktives Chroniker-Programm von DocMorris verzichten, um ihre Rabattverträge nicht zu gefährden.
ADHOC: Beanspruchen die Kassen mögliche Einsparungen zurecht für sich?
DOUGLAS: Aus Sicht der Kassen stehen die Beträge der Versichertengemeinschaft zu. Das ist sicher richtig. Wenn die ausländischen Versandapotheken zu viel Geld haben, gehört das in den GKV-Topf. Das ließe sich regeln: Das Packungshonorar könnte im Versandhandel signifikant gesenkt werden, statt 8,35 Euro etwa auf 3 Euro. Wie beim Weg der Notdienstpauschale ließe sich die Leistung abkoppeln von der Packung. Dann besteht allerdings umso mehr die Gefahr, dass die Versicherten gedrängt werden, im Internet zu bestellen. Zwingend wäre also auch hier das Bekenntnis zur freien Apothekenwahl.
ADHOC: Ist es ein Fehler der ABDA, jetzt trotzdem auf das Rx-Versandverbot zu setzen?
DOUGLAS: Die ABDA hat das Verfahren an sich gezogen, die Landeskammern nicht beteiligt und sich auch vorab nicht zu einem vermeintlichen Plan B geäußert. In der Politik sollten keine Begehrlichkeiten geweckt werden. Man kann so eine Black-Box-Strategie fahren, auch wenn ich sie persönlich für falsch halte. Aber wenn die Forderung nach einem Rx-Versandverbot jetzt der einzige Vorschlag ist, dann war die Schublade leer.
ADHOC: Waren sich die Apotheker zu sicher, dass es wieder gut geht in Luxemburg?
DOUGLAS: Vielleicht. Und tatsächlich ist das Urteil handwerklich und in der Begründungstiefe auf Stammtisch-Niveau. Aber als Anwalt muss ich mich dann fragen lassen, was ich vor Gericht eigentlich vorgetragen habe. Den Zuständigen ist offensichtlich nicht gelungen, dem EuGH klar zu machen, worum es geht und was auf dem Spiel steht. Im Fußball würde nach so einem Ergebnis der Trainer entlassen.
ADHOC: Wie konnte der EuGH den Gemeinsamen Senat der obersten Bundesgerichte und das Bundesverfassungsgericht ignorieren?
DOUGLAS: Leider wurden der rechtlichen Begründung dieser Gerichte nur allgemeine Ausführungen entgegengestellt, mit einer katastrophalen Begründung. Der große Gewinner neben DocMorris und der Europa Apotheek Venlo (EAV) des Urteils ist daher leider die AfD. Warum der EuGH in Zeiten von Europamüdigkeit mit so einem unsubstantiierten und arroganten Urteil diese Debatte befeuert, kann ich überhaupt nicht verstehen. Mein Eindruck war, dass nach dem Wirbel um den Brexit die Überzeugung zurückgekehrt war, begründete nationalstaatliche Kompetenzen wieder mehr zu achten. Aber jetzt haben wir dieses Urteil und müssen damit umgehen.
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