Während der Corona-Pandemie hat auch das Gesundheitswesen einen digitalen Schub erlebt; Aufwind bekamen in dieser Zeit auch die Videosprechstunden. Doch inzwischen hat das Interesse deutlich nachgelassen, wie Zahlen der Techniker Krankenkasse (TK) beweisen.
Mitten in der Pandemie hatten die Videosprechstunden Hochkonjunktur. Waren es 2019 noch 358 digitale Gespräche, die bei der TK abgerechnet wurden, lag die Zahl zu Beginn der Corona-Pandemie 2020 bereits bei 709.000. 2021 waren es dann 956.000 – seitdem sinkt der Wert jedoch wieder stetig; aktuell um 40 Prozent: Nur noch 576.000 Videosprechstunden wurden im vergangenen Jahr bei der Kasse abgerechnet.
„Diese ernüchternde Entwicklung zeigt leider, dass die Corona-Pandemie der Digitalisierung im Gesundheitswesen nur einen kurzfristigen Anstoß gegeben hat – obwohl die Videosprechstunde ihr Potenzial, die Versorgung sinnvoll zu ergänzen, während der Pandemie bewiesen hat“, so TK-Vorstandsvorsitzender Dr. Jens Baas.
Dieser Abwärtstrend hänge laut Baas auch mit der Aufhebung der Corona-Hygieneregeln zusammen, der Nutzen sei jedoch trotzdem groß: „Eine digitale Behandlung spart Anfahrtswege, Wartezeiten in vollen Arztpraxen und reduziert das Ansteckungsrisiko aller Beteiligten“, so Baas weiter. „Die Ärztinnen und Ärzte sind aufgrund der digitalen Behandlung flexibler in ihrer Arbeit und können den Praxisalltag effizienter organisieren. Nicht zuletzt stellen die Videosprechstunden in versorgungsschwächeren Gebieten eine gute Behandlung sicher.“
Laut dem Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) gab es 2023 insgesamt 7,5 Millionen telefonische Beratungen und 2,2 Millionen Videosprechstunden – auch hier gingen die beiden Zahlen im Vergleich zum Vorjahr deutlich zurück. Das Angebot an Videosprechstunden verlagere sich zudem immer mehr in Richtung der hausärztlichen Versorgung.
Während 2022 lediglich 27,5 Prozent der Videosprechstunden von Hausärzt:innen und 61,4 Prozent von Psychotherapeut:innen vorgenommen wurden, waren es 2023 bereits 41,5 Prozent im hausärztlichen und nur noch 44,1 Prozent im psychotherapeutischen Versorgungsbereich. 2021 war die Anzahl an Gesprächen mit Psychotherapeut:innen noch höher.
Für einen breiteren Einsatz von Telemedizin spricht sich der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung (SVDGV) aus. Er begrüßt aktuelle Pläne, derartige Angebote breiter in die Versorgungspraxis zu integrieren, was mit dem Digitalgesetz (DigiG) angestoßen wurde. Anbieter bräuchten jedoch mehr Planungssicherheit, um auch künftig innovative Anwendungen auf den Markt bringen und die Versorgung zukunftsfähig gestalten zu können, so der SVDGV.
Der Spitzenverband fordert daher in einem aktuellen Positionspapier klare Regelungen für Telemedizin, die die nötige Planungssicherheit geben und die Integration in die Versorgung vorantreiben würden. Dazu müsse Telemedizin in weitem Umfang ermöglicht werden, es bräuchte eindeutige Regelungen zur Erstattung und Vergütung (wie eine gleichwertige Vergütung für Videosprechstunde und Sprechstunde vor Ort, ein überregionales Budget für Telemedizin sowie unterschiedliche Vergütung für Akut- und Langzeitversorgung), eine Streichung des § 9 Heilmittelwerbegesetz (HWG) und die Anbindung an die TI für alle Akteure.
„Telemedizin kann die medizinische und pflegerische Versorgung entscheidend verbessern, zum Beispiel, indem sie die Vernetzung von Fachkräften vereinfacht, Prozesse effizienter macht oder Hürden beim Zugang zu medizinischer Expertise verringert“, so Dr. Paul Hadrossek, Mitglied des Vorstandes des SVDGV. „Dieser Nutzen muss jetzt anerkannt werden, gerade auch angesichts aktueller Versorgungsengpässe und des Fachkräftemangels. Wir brauchen klare Regelungen sowie eine angemessene Vergütung für Telemedizin und eine Infrastruktur, die einen flächendeckenden, unkomplizierten Einsatz möglich macht. Telemedizin muss allen Patientinnen und Patienten uneingeschränkt zur Verfügung stehen und darf keinen willkürlichen Beschränkungen unterliegen.“
Zudem heißt es vom Verband, dass sich Patientinnen und Patienten über diese Angebote informieren können müssten, was nun einmal zumeist digital erfolge. Durch Paragraph § 9 des HWG seien solche Informationen jedoch untersagt – „das ist nicht mehr zeitgemäß“. Das Werbeverbot stehe den Telemedizin-Angeboten entgegen und müsse daher abgeschafft werden.
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