Mehrere Projekte aus dem Bereich Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) sollen aus dem Innovationsfonds gefördert werden. Projekte von Apothekern sind nicht dabei. Aber auch bei der Umsetzung der geförderten Projekte sind Apotheker entweder nur marginal oder gar nicht beteiligt.
So spielen Apotheker bei dem Projekt „AdAM“ der Barmer GEK keine Rolle. AdAM steht für „Anwendung für digital unterstütztes Arzneimitteltherapie- und Versorgungsmanagement“. Das Projekt soll Qualität, Sicherheit, Kosteneffizienz und Koordination der ambulanten und sektorenübergreifenden Arzneimitteltherapie von multimorbiden Patienten mit Polypharmazie verbessern. Mit dabei sind Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), mehrere Universitäten und medizinische Fachgesellschaften.
Man habe lange über die mögliche Rolle der Apotheker beim Projekt nachgedacht, sagte Thomas Müller, Geschäftsführer und designierter Vorstand der KVWL. Man habe aber beschlossen, sich zunächst auf Ärzte im niedergelassenen Bereich zu konzentrieren. „Die Transparenz über die Selbstmedikation kann durch Apotheken ohnehin nur partiell hergestellt werden“, meinte er. Eine vollständige Transparenz würde voraussetzen, dass Patienten ihre Arzneimittel immer in ein- und derselben Apotheke kauften. Das sei aber nicht der Fall. Und so werden Apotheker keinen Zugang zum geplanten Software-Portal erhalten, das im Rahmen des Projekts entstehen soll. Man schätze aber die tägliche Beratung der Patienten durch Apotheken, versicherte Dr. Mani Rafii, Vorstand der Barmer GEK.
Und so soll es laufen: Der Hausarzt bekommt von der Krankenkasse mit Genehmigung des Patienten eine Liste über die ihm verordnete Arzneimittel und behandlungsrelevante medizinische Informationen. Diese sollen in den Medikationsplan des Patienten eingehen, der auch Selbstmedikation enthalten soll. Dieser Überblick über die Gesamtmedikation soll dem Arzt ermöglichen, gefährliche Wechselwirkungen zu erkennen. Außerdem sollen Ärzte konkrete patientenbezogene Hinweise erhalten, sobald neue Arzneimittel oder neue Risiken bekannt werden und der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Beschlüsse zu Arzneimitteln gefasst hat. Wird ein Patient im Krankenhaus aufgenommen, erhält der Hausarzt automatisch eine Information und kann so relevante Informationen an das Krankenhaus geben.
Umgesetzt wird AdAM zunächst in Westfalen-Lippe. Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt und wird mit rund 16 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds gefördert. Rund 1400 Hausärzte hätten bereits ihr Interesse bekundet. Ziel sei es, dass sich 85 Prozent der rund 440.000 von Polypharmazie betroffenen Versicherten der Barmer GEK in das Projekt einschreiben. Das Projekt soll während der gesamten Laufzeit wissenschaftlich evaluiert werden. Sollten die Ergebnisse positiv sein, soll das Konzept in die Regelversorgung Eingang finden, wo es bis zu 18,6 Millionen Patienten helfen könnte.
Ein weiteres Projekt aus dem Bereich AMTS ist das Projekt Arena des Aqua-Instituts. Im Wesentlichen soll es helfen, den Einsatz von Antibiotika auf ein sinnvolles Maß zu senken und ein Problembewusstsein bei Ärzten sowie Patienten und in der Öffentlichkeit zu schaffen. So sollen bei vorab festgelegten Diagnosen zu häufigen Infekten der Atemwege und der Harnwege, bei denen in der Regel kein Antibiotikum notwendig ist, Patienten informiert und Öffentlichkeitskampagnen durchgeführt werden. Hierzu erhalten sowohl Ärzte als auch Praxispersonal ein darauf zugeschnittenes Informations- und Kommunikationstraining.
Offenbar spielen Apotheker aus Sicht der Initiatoren bei der Aufklärung von Patienten keine große Rolle. Denn Pharmazeuten sollen lediglich an „datengestützten Qualitätszirkeln“ beteiligt werden. Diese werden nach Angaben des Aqua-Instituts mit den beteiligten Netzärzten, mit medizinischen Fachangestellten sowie sektorenübergreifend auch in Zusammenarbeit mit anderen Leistungserbringern wie Krankenhäusern, Pflegeheimen und -diensten und eben Apotheken durchgeführt werden. Wie genau diese Qualitätszirkel ausgestaltet und wie oft sie stattfinden, wollten die Initiatoren nicht verraten.
Die Hauptakteure sind indes die AOK Bayern, die AOK Rheinland/Hamburg, die KV Bayern, die Agentur deutscher Arztnetze sowie über 400 Arztpraxen aus 14 Arztnetzen aus Bayern und Nordrhein-Westfalen mit rund 74.000 eingeschriebenen AOK-Versicherten. Koordiniert und wissenschaftlich begleitet wird das Projekt vom Aqua-Institut. Arena wird mit rund 6 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds finanziert.
In welchem Umfang Apotheker bei dem Projekt KiDSafe eingebunden werden sollen, ist ebenfalls unklar. Bei dem Projekt, das federführend beim Universitätsklinikum Erlangen angesiedelt ist, geht es darum, AMTS bei Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Dies betrifft laut Projektbeschreibung die große Zahl an Off-label-Anwendungen – vor allem von Medikamenten, deren Patentschutz abgelaufen ist, und für die es in aller Regel weder Erkenntnisse zur richtigen Dosierung noch adäquate Darreichungsformen gebe. Auch komme es immer wieder zu Schäden durch Wechselwirkungen und Medikationsfehler.
Dazu wollen die Projektpartner in mehreren Kinderkliniken und den zuweisenden Kinderarztpraxen ein digitales Kinderarzneimittel-Informationssystem sowie pädiatrisch-pharmakologische Qualitätszirkel einführen. Apotheker sollen ebenfalls „einbezogen“ werden, um dadurch die Kompetenz der pädiatrischen Pharmakotherapie zu stärken und zu verbessern. Wie dies genau geschehen soll, wollten die Initiatoren nicht ausführen: Die genaue Rolle der Apotheker werde erst bei der Detail-Planung festgelegt.
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