Inklusion

Finanzspritze für barrierefreie Praxen

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Berlin -

Jede fünfte Arztpraxis ist nicht rollstuhlgerecht. Das geht aus der Antwort des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) auf eine schriftliche Frage der stellvertretenden Vorsitzenden der Linksfraktion, Sabine Zimmermann, hervor. Nun soll geprüft werden, mit welchen Anreizen Ärzte dazu gebracht werden können, ihre Praxen behindertengerecht zu machen.

Laut BMG verfügen 22 Prozent der Hausarztpraxen weder über einen ebenerdigen Zugang oder einen Aufzug. Laut der parlamentarischen Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU) hält die Bundesregierung an dem Ziel fest, dazu beizutragen, dass bis 2020 Arztpraxen zunehmend barrierefrei zugänglich werden.

Dafür solle gemeinsam mit der Ärzteschaft ein Gesamtkonzept vorgelegt werden. „Derzeit prüft die Bundesregierung, welche Anreize gesetzt werden können, um die Anzahl barrierefreier Einrichtungen zu erhöhen“, so Widmann-Mauz.

Zimmermann warnt, dass sich das geplante Gesamtkonzept nicht auf unverbindliche Absichtserklärungen beschränken dürfe. „Hier muss es auch darum gehen, Geld zur Verfügung zu stellen und die Ärzte zu unterstützen.“ Sie kritisiert, dass seit Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland wenig passiert sei. Das sei „beschämend“. Die Missstände müssten nun dringend angegangen werden.

Zwischen den einzelnen Ärzten gibt es allerdings große Unterschiede: Während 37 Prozent der Radiologen einen barrierefreien Zugang zu ihrer Praxis ermöglichen, sind es bei den Zahnmedizinern und Kieferchirurgen nur 15 Prozent. Auch bei Kinder- und Jugendpsychologen (16 Prozent) sowie Psychiatern und Psychotherapeuten (17 Prozent) ist es um die Barrierefreiheit nicht gut gestellt.

Die Daten beruhen auf einer Erhebung der Stiftung Gesundheit, die Ärzte befragt hatte. Insgesamt haben 180.000 Mediziner Auskunft erteilt. Abgefragt wurden verschiedene Aspekte der Barrierefreiheit. Einen behindertengerechten Zugang zu ihren Praxen ermöglichten noch die meisten Mediziner, in Sachen Behindertenparkplätze, barrierefreie WCs und Untersuchungsmöbel sah es hingegen schlecht aus.

Nur vereinzelt verfügen Hausarztpraxen demnach über behindertengerechte Parkplätze, eine barrierefreie Toilette und flexible Untersuchungsmöbel sind noch seltener. Bei den anderen Facharztgruppen steht es um die Barrierefreiheit nicht viel besser.

Zimmermann bedauert, dass in nur so wenigen Arztpraxen Behinderte behandelt werden können. „De facto ist für viele Menschen mit Beeinträchtigungen die gesetzlich verbriefte freie Arztwahl nicht gewährleistet“, so Zimmermann.

Widmann-Mauz verweist auf die Selbstverwaltung: Barrierefreiheit werde unter anderem in der Bedarfsplanungsrichtlinie als ein Kriterium bei Planung und Zulassung genannt. Dort heißt es: „Zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung behinderter Menschen ist bei der Bedarfsplanung vor allem im Hinblick auf Neuzulassungen die Barrierefreiheit besonders zu beachten.“ Muss zwischen mehreren Bewerbern auf eine Zulassung entschieden werden, ist Barrierefreiheit ein möglicher Aspekt.

Das Ministerium verweist außerdem auf die zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und GKV-Spitzenverband ausgehandelten Rahmenvorgaben für die Anerkennung besonders förderungswürdiger Praxisnetze: Auch da sei die Barrierefreiheit ausdrücklich genannt. Die KBV habe zudem den Leitfaden „Barrieren abbauen“ veröffentlicht, der Ärzte über die Umsetzung in den Praxen informiert.

Kathrin Vogler, in der Linksfraktion Sprecherin für Arzneimittelpolitik und Patientenrechte, findet es „skandalös, dass die Bundesregierung noch keine flächendeckenden Daten hat“. Doch bereits die Ergebnisse der Erhebung ließen den großen Bedarf erkennen. „Da sieht man, wie groß die Aufgabe ist, vor der wir stehen“, so Vogler.

Aus ihrer Sicht braucht es zunächst ein Konzept, um die Praxen bis 2020 weitgehend barrierefrei zu gestalten. In der Bedarfsplanung soll die Barrierefreiheit ein klares Kriterium werden, um das man bei der Renovierung oder Neueinrichtung einer Praxis nicht mehr herum kommt. Außerdem sollte darüber nachgedacht werden, für Praxen in denkmalgeschützten Gebäuden einen Unterstützungsfonds für aufwendige Anpassungen einzurichten.

Für Apotheken ist Barrierefreiheit spätestens seit der 2012 in Kraft getretenen Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) ein Thema: Darin ist geregelt, dass Apotheken barrierefrei erreichbar sein sollen. Das bedeutet den Pharmazieräten zufolge, dass für neu eröffnete Apotheken ein behindertengerechter Zugang Pflicht ist. Beim Eigentümerwechsel sollen die Voraussetzung erneut geprüft werden. Bei bestehenden Apotheken schließlich soll der Apothekenleiter versuchen, eine Lösung zu finden.

Beim Thema Barrierefreiheit in Apotheken sieht Vogler aber „nicht das große Problem“: Dabei gehe es vor allem um den Eingang oder Hilfen für Sehbehinderte, vielleicht auch noch Fortbildungen in Leichter Sprache für die Mitarbeiter. „Das ist aber nicht so ein großes Problem wie zum Beispiel die Investition in einen Zahnarztstuhl, der auch für gehbehinderte Menschen geeignet ist.“

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