Digitalisierung, Spezialisierung, Einkommen: Unter den Berliner Apothekern gibt es zu den wichtigen Zukunftsthemen unterschiedliche Ansichten bei Angestellten und Inhabern. Das legt zumindest eine Umfrage nahe, die die „Hauptstadtapotheker“ am Mittwoch veröffentlicht haben. Die neu gegründete Liste tritt zur Kammerwahl an und will die Interessen der angestellten Apotheker stärker in den Fokus rücken.
„Keiner ist mehr so verrückt, sich selbstständig zu machen“, moniert ein anonymer Apotheker. „Ich habe den Eindruck, dass man bei Lageso und Kammer mehr Energie drauf verwendet, Apotheken bei der Einhaltung der Vorschriften zu prüfen als sie zu unterstützen“, kritisiert ein anderer. Die „Hauptstadtapotheker“ haben ihren Kollegen auf den Zahn gefühlt, um so eine Datengrundlage für ihre Argumente zu generieren. Denn die neu gegründete Liste will als erste in der Berliner Kammergeschichte explizit die Anliegen der angestellten Apotheker vertreten – doch haben die überhaupt andere Interessen als ihre Chefs? Bei den übrigen Listen sieht man das eher nicht so.
Mit ihrer Umfrage soll den Kritikern nun etwas entgegengehalten, aber auch eigene Schwerpunkte identifiziert werden. „Wir sind eine neue Liste und müssen auch erstmal unsere Themen finden“, erklärt Listenführerin Annette Dunin von Przychowski. 40 Apotheker, davon 15 Inhaber, hatten sich an der Erhebung beteiligt – „trotz eines kurzen Zeitraums“, wie die Hauptstadtapotheker schreiben. Die Frage, wie repräsentativ ihre Ergebnisse angesichts der kleinen Stichprobe sind, müssen sie sich dafür gefallen lassen. „Natürlich ist die Umfrage nach wissenschaftlichen Standards nicht repräsentativ“, räumt Dunin von Przychowski ein. „Aber sie gibt einen wichtigen Einblick in die Lage der angestellten Apotheker.“
Und da ließen sich eindeutige Unterschiede zu den Inhabern feststellen. „Deshalb ist es auch wichtig, dass es endlich eine Angestellten-Liste gibt, denn die denken bei vielen Themen doch anders“, so Dunin von Przychowski. Es sei auch ein Weg, die 60 Prozent Nichtwähler unter den Berliner Apothekern anzusprechen: „Die Kollegen müssen auch sehen, dass ihre Interessen vertreten werden.“ Insgesamt entsteht bei einem Blick in die Erhebung der Eindruck, dass die angestellten Apotheker generell positiver in die Zukunft schauen und eher offen sind für Erweiterungen des Berufsbildes.
So haben sich nur 6 Prozent der angestellten Apotheker negativ über ihre Aussichten geäußert, 94 Prozent glauben, dass ihr Beruf Zukunft hat. Bei den Inhabern sieht das schon spürbar anders aus: Hier sieht ein Drittel schwarz. Auch bei den Weichenstellungen für diese Zukunft lassen sich Unterschiede erkennen: So sprachen sich unter den Angestellten drei Viertel dafür aus, dass die Apotheker sich „selbstbewusst weitere Tätigkeiten erschließen“ sollten. Trotzdem sieht eine Mehrheit von 57 Prozent der Angestellten die Distribution von Arzneimitteln auch zukünftig als Schwerpunkt ihrer Arbeit – unter den Inhabern sind es 80 Prozent.
Die angestellten Apotheker „unterstützen stärker den Weg zur wissensbasierten pharmazeutischen Dienstleistung“, schlussfolgern die Hauptstadtapotheker. „Dabei ist allen klar, dass die Distribution funktionieren muss, um darauf die echte pharmazeutische Arbeit anzubieten.“ Treibende Kraft hinter der Transformation der Arbeitswelt zwischen HV und Backoffice ist die Digitalisierung. Auch hier fallen die Ergebnisse bei den beiden Gruppen unterschiedlich aus: Eine Mehrheit von 57 Prozent der angestellten Apotheker sieht sie als Chance, bei den Inhabern sind es gerade einmal 27 Prozent.
Weniger Zuversicht als vielmehr Unmut scheint dafür beim Thema Gehalt zu herrschen. Nur 14 Prozent der angestellten Apotheker finden demnach, dass ihr Einkommen für ihre Ausbildung und Arbeit angemessen ist, 86 Prozent bekommen nach eigener Auffassung zu wenig Lohn. Bei den Inhabern ist das nur ein Drittel, 60 Prozent halten ihr Einkommen hingegen für angemessen, 7 Prozent konnten die Frage nicht beantworten. Ausgerechnet bei dem Thema sind die Einwirkungsmöglichkeiten der Kammer aber naturgemäß begrenzt. „Wir wollen ja keine zweite Gewerkschaft aufmachen“, sagt Dunin.
Unterschiedliche Ansichten zur Berufspolitik scheinen also tatsächlich zwischen den beiden Gruppen zu herrschen. Die Frage ist nur, was die Hauptstadtapotheker daraus machen. Zuerst einmal wollen sie die Befragung – falls sie „ eine wesentliche Größe in der Delegiertenversammlung“ werden – auf größerem Niveau wiederholen, um statistisch belastbare Daten zu erhalten. Eine jährliche Umfrage der Kammer gibt es bereits, doch die richtet sich nur an die Inhaber.
Wie stark Dunin von Przychowski und ihre Liste in der Delegiertenversammlung sein werden, ist mangels Prognosen noch vollkommen offen. Acht Kandidaten haben sie aufgestellt. Fakt ist jedenfalls, dass die angesprochene Zielgruppe der Angestellten die Mehrheit der 5500 Wahlberechtigten ausmacht. Mehr wird am 20. März zu erfahren sein, dann werden die Stimmen der geheimen Briefwahl ausgezählt und die Zusammensetzung der Delegiertenversammlung wird sich mit Sicherheit recht stark ändern, denn zwei neue Listen ziehen ein: Vor vier Jahren war Dunin von Przychowski noch für die Liste „Aktive Apotheker*innen“ angetreten. In diesem Jahr werden sie von Maximilian Buch angeführt.
Außerdem hat Dr. Björn Wagner dieses Jahr zum ersten mal eine ganze eigene Liste, die „Apotheker/innen aus Wissenschaft, Industrie und Verwaltung“. Er war vor vier Jahren allein angetreten und erhielt genug Stimmen für fünf Sitze – vier mussten deshalb auf die anderen drei Listen verteilt werden. Kammerpräsident Dr. Christian Belgardt tritt als Führer der Liste „Offizin-Apotheke“ erneut an. Außerdem stehen die „Allianz aller Apotheker“ unter der Führung von Dr. Kerstin Kemmritz zur Wahl.
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