Influenza: Was taugt der Hochdosisimpfstoff? Patrick Hollstein, 06.02.2023 15:03 Uhr
Bei den Grippeimpfungen von Menschen über 60 Jahren hat sich der Hochdosisimpfstoff Efluelda von Sanofi durchgesetzt, trotz Ausnahmeregelung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) liegt der Marktanteil über 90 Prozent. Im Auftrag des Konkurrenten Viatris (ehemals Mylan) hat der Gesundheitsökonom Professor Dr. Jürgen Wasem gerechnet, wie viele Krankheitsfälle verhindert werden – und was das kostet.
Wasem hat für den Hochdosisimpfstoff zwei Wirkungsgrade durchgespielt, die in aktuellen Studien veröffentlicht wurden: In einer Metanalyse zeigte Efluelda eine 15,9 Prozent höhere Effektivität als die Standardimpfstoffe, in einer klinischen Studie waren es sogar 24,2 Prozent mehr.
Für beide Werte hat er den Einfluss auf die Infektionszahlen berechnet; als Basis dienten die Zahlen aus der Saison 2019/20.
Außerdem hat er den höheren Impfkosten die eingesparten Kosten für Arztbesuche, die Behandlung von Komplikationen (ambulant und stationär), Arzneimittel und indirekte Kosten (Arbeitsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit, vorzeitiger Tod) gegenübergestellt.
Weniger Infektionen, höhere Kosten
Bei Annahme einer 15,9 Prozent höheren relativen Impfeffektivität lassen sich durch den Einsatz des Hochdosisimpfstoffs in der Altersgruppe der über 60-Jährigen rund 277.000 Infektionen von GKV-Versicherten vermeiden, das entspricht einem Rückgang um 1,1 Prozent. Dafür entstehen Mehrkosten von rund 224 Millionen Euro oder 40,1 Prozent.
Bei Annahme einer 24,2 Prozent höheren relativen Impfeffektivität werden demnach rund 420.000 Influenza-Infektionen vermieden, das sind 1,7 Prozent. Dafür betragen die Mehrkosten rund 218 Millionen Euro, also 39,1 Prozent.
Szenario: Höhere Impfquote
Eine Erhöhung der Impfquote von 38,8 Prozent auf die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen 75 Prozent bei den über 60-Jährigen führt mit Standardimpfstoffen zu rund 1,567 Millionen vermiedenen Influenza-Infektionen (minus 6,2 Prozent) und zu Mehrkosten von rund 121 Millionen Euro (plus 21,6 Prozent).
Würden nun drei Viertel der Ü60-Jährigen tatsächlich mit dem Hochdosisimpfstoff geimpft, ließen sich zwei Millionen Infektionen vermeiden, allerdings würden sich die Kosten auch auf 1,113 Milliarden Euro gegenüber dem Status quo verdoppeln.
Viel Geld für wenig Effekt
Bei der Interpretation der Ergebnisse ist Wasem zurückhaltend: „Unstreitig ist der Impfstoff etwas besser als die Standardimpfstoffe, aber er erzeugt eben auch höhere Kosten. Man zahlt also viel Geld für wenig Effekt.“ Das sei im Gesundheits- und Arzneimittelbereich nicht ungewöhnlich, teilweise gehe das Verhältnis deutlich stärker auseinander. „Das ist eine Frage der Zahlungsbereitschaft, die gesamtgesellschaftlich zu beantworten ist.“
Die Ständige Impfkommission (Stiko) haben vor ihrer Empfehlung ebenfalls ökonomische Überlegungen angestellt, allerdings auf Basis der Fallkosten. Und sie sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die höhere Wirksamkeit den höheren Preis rechtfertige.