Den boomenden Markt der In-Vitro-Diagnostik will das EU-Parlament unter Kontrolle bringen. Dazu hat der Gesundheitsausschuss eine Verordnung zur Sicherheit von In-vitro-Medizinprodukten (IVD) auf den Weg gebracht. Damit sollen ähnliche Sicherheitstandards eingeführt werden wie für Medizinprodukte. Die Umsetzung im bislang weitgehend ungeregelten Markt dauert allerdings noch fünf Jahre. Auslöser für das neue Sicherheitskonzept war der Skandal um fehlerhafte HIV-Tests.
Bereits im September 2012 hatte die EU-Kommission ihren Vorschlag zur Revision der IVD-Verordnung vorgestellt. Als In-vitro-Diagnostika werden medizinische Produkte, die für Diagnostik außerhalb des menschlichen Körpers (in vitro) bestimmt sind, bezeichnet. Die Diagnosen können im Labor oder patientennah, beispielsweise am Krankenbett, durchgeführt werden. Dazu zählt eine Fülle von Tests, etwa Selbsttests zur Messung des Blutzuckerspiegels, HIV- und DNA-Tests.
„Die bestehende Richtlinie hat bedauerlicherweise nicht verhindert, dass in der Vergangenheit qualitativ minderwertige In-vitro-Diagnostika in Verkehr gebracht wurden“, so der CDU-Europaabgeordnete Dr. Peter Liese. So waren zum Beispiel jahrelang HIV-Tests mit CE-Kennung im Umlauf, die wesentlich mehr falsche negative Ergebnisse als andere marktübliche HIV-Tests lieferten.
Liese: „Diese zeigten an, dass keine Infektion mit dem Virus vorliege, obwohl das Gegenteil der Fall war. Auf diese Weise wurden Patienten und Angehörige einer lebensbedrohlichen Gefahr ausgesetzt.“ Minderwertige Tests gab es auch für Hepatitis-C und DNA-Untersuchungen. In-vitro-Diagnostika in Europa auf dem gemeinsamen Markt frei handelbar und unterliegen keinen nationalen Grenzen.
Der Vorschlag der Kommission sieht vor, In-vitro-Diagnostika in vielen Bereichen so zu regulieren wie andere Medizinprodukte. Wie schon bei der Medizinprodukte-Verordnung schlägt die Kommission auch bei der IVD-Verordnung eine Stärkung des Systems der sogenannten „benannten Stellen“ und deren Überwachung durch die Mitgliedsstaaten vor.
Die Bestimmungen über die Marktüberwachung und die Beobachtungs- und Meldeverfahren werden verschärft. Ferner werden unangekündigte Betriebsinspektionen vorgeschrieben und ein Netz europäischer Referenzlaboratorien eingerichtet, die eine wesentliche Rolle bei der Kontrolle von Medizinprodukten mit hohem Risiko spielen. Bei neuwertigen Hochrisikoprodukten (Klasse D) können die Referenzlabore eine Produktprüfung bei der benannten Stellen an sich ziehen.
Eine besonders wichtige Gruppe der Diagnostika, die DNA-Tests, werden durch die Neuregelung besonders beeinflusst. Das Parlament schlägt Mindeststandards für die Anwendung dieser Tests vor. Beispielsweise sollten DNA-Tests nur von qualifiziertem Personal und nach entsprechender Beratung der betreffenden Personen durchgeführt werden.
In Deutschland gilt das Gendiagnostikgesetz. Darin ist unter anderem vorgesehen, dass Gentests nur nach Anordnung durch einen Arzt und nach intensiver genetischer Beratung durchgeführt werden dürfen. „Gentests haben oft dramatische Folgen, so kann einem jungen Menschen vorausgesagt werden, dass er im späteren Leben an der Chorea Huntington leiden wird, die nicht behandelbar ist und für die es auch keine Präventionsmöglichkeiten gibt. Dies kann Auswirkungen auf den Versicherungsschutz und vieles andere haben“, so Liese, der selbst Arzt ist.
Auswirkungen wird die neue Verordnung auch auf die Pränatal-Diagnostik haben, die dann EU-weit nur nach ärztliche Beratung erlaubt sein sollen. „Da es keine Möglichkeit gibt diese Tests zu verbieten, aber es ist wichtig, dass eine gute Beratung stattfindet. Das Problem besteht darin, dass die Regeln des Gendiagnostikgesetzes natürlich nur in Deutschland gelten. Das heißt, wenn ein Betroffener über die Grenze geht, zum Beispiel von Nordrhein-Westfalen nach Belgien oder in die Niederlande oder von Berlin aus nach Polen, so gelten die Regeln nicht. Inzwischen ist die Beratung in einigen Mitgliedsstaaten, wie zum Beispiel Österreich, Pflicht, wobei in anderen Ländern keinerlei Auflagen existieren“, so Liese.
2009 gab es mehrere Warnungen, unter anderem aus Sachsen und Baden-Württemberg, vor dem Kauf und der Anwendung so genannter HIV-Heimtests aus dem Internet wegen erheblicher Sicherheitsmängeln. Die Tests waren in Deutschland nicht zugelassen. Tatsächliche Infektionen wurden teilweise von den Heimtests nicht als solche erkannt.
Im Jahr 2012 ließ US-Arzneimittelbehörde FDA den ersten HIV-Test für zu Hause zu. Mit „OraQuick“ des Herstellers OraSure Technologies konnten sich Verbraucher selbst auf eine mögliche Infektion testen. Das circa 60 US-Dollar teure Kit untersuchte auf Antikörper gegen HIV-1 und HIV-2. In der Zulassungsstudie lag die Sensitivität bei 92 Prozent. Bei einer von 12 Messungen wurde demnach eine bestehende Infektion nicht erkannt. Daher wurde den Anwendern, deren OralQuick positiv ausfällt, geraten auf jeden Fall einen weiteren Test beim Arzt durchführen.
Im Mai 2014 hatte Supermarkt Tesco in Großbritannien HIV-Tests angeboten. Kunden hätten die Wahl zwischen einem 60-Sekunden-Schnell-Bluttest und einem Speicheltest, dessen Ergebnisse nach 20 Minuten feststünden. Die Tests fanden in einem Nebenraum des Supermarkts unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der Supermarkt-Versuch war Teil eines Projektes in einer Region, in der die Gesundheitsbehörden eine überdurchschnittliche Quote an HIV-Positiven festgestellt hatten. Tests fanden auch in Bibliotheken und Diskotheken statt.
Seit vergangenem September können Patienten auch in französischen Apotheken HIV-Schnelltests kaufen. Anwender sollen damit innerhalb von 30 Minuten ein Ergebnis bekommen, der Test ist rezeptfrei erhältlich. In Deutschland ist die private Anwendung nach dem Medizinproduktegesetz verboten.
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