Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat gestern auf einer AOK-Veranstaltung deutlich gemacht, dass das deutsche Gesundheitswesen vor massiven Herausforderungen steht, die ohne tiefgreifende Reformen kaum zu bewältigen sind. Er kündigte an, die gesamte Legislaturperiode zu nutzen, um seine Gesetzesvorhaben durchzusetzen – notfalls auch in der „Verlängerung“.
Das Gesundheitswesen stehe vor großen Herausforderungen, die oft unterschätzt würden, sagte Lauterbach. Die geburtenstarken Jahrgänge gingen bald in Rente, gleichzeitig steige der Bedarf an medizinischer Versorgung. Hier bestehe dringender Handlungsbedarf, „sonst können wir unseren Standard nicht halten“, warnte er.
Laut ihm hat das deutsche Gesundheitssystem erhebliche Qualitätsprobleme: „Bei keiner wichtigen Krebserkrankung sind wir Weltspitze – wir liegen im Mittelfeld oder sogar dahinter“, sagte er. Auch in der Präventivmedizin hinke Deutschland hinterher. Gleichzeitig sei das deutsche Gesundheitssystem sehr teuer.
„Unser Gesundheitssystem ist so schlecht digitalisiert wie kein anderes“, kritisierte der Minister weiter. Er betonte, dass Reformen nicht auf dem traditionellen „deutschen Weg“ vorangetrieben werden könnten, bei dem einfach mehr Geld in ein ineffizientes System gepumpt werde. „Das löst die Probleme nicht“, so Lauterbach. Vielmehr seien grundlegende Reformen notwendig.
Ein wichtiges Projekt sei dabei die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA). Dass es gelungen sei, eine Opt-out-Regelung zu beschließen, lobte Lauterbach als große Leistung.
Der Minister ging auf die Krankenhausreform ein. „Wir brauchen diese Reform, weg von den Fallpauschalen“, sagte er. Zwar gebe es noch einige strittige Punkte, aber die Spezialisierung sei unstrittig. Auch die Reform der Notfallversorgung und des Rettungsdienstes sei notwendig, man brauche eine bessere Zusammenarbeit im System.
Mit dem Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) wolle er den Hausarztberuf attraktiver machen: Hier müsse man dringend weg von der Budgetierung, den Arzneimittelregressen und es brauche mehr Entbürokratisierung.
Lauterbach reagierte auch auf die erneute Kritik der Krankenkassen, sein Gesundes-Herz-Gesetz (GHG) würde Pillen in den Vordergrund stellen, statt evidenzbasierte Präventionsangebote zu fördern. In der Prävention dürfe Verhaltenstherapie nicht gegen Pharmakotherapie ausgespielt werden, so Lauterbach. „Wir brauchen beides.“
Auch in der Pflege will der Minister noch einiges umkrempeln. Er kündigte gestern erneut eine „große Pflegereform“ an, an der derzeit gearbeitet werde. Diese sei von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sogar als „Jahrhundertreform“ bezeichnet worden, auch wenn er selbst nicht so weit gehen würde.
Alle acht Gesetze des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), die sich derzeit im parlamentarischen Verfahren befänden, sowie die angekündigten, die noch auf dem Weg seien, würden kommen, kündigte Lauterbach an. Wie er das schaffen will? „Wir werden in der gesamten Legislaturperiode durchregieren und den Spielraum nutzen. In der Verlängerung werden wir den Sieg erzwingen“, schließt Lauterbach.
Ob er mit „Verlängerung“ meint, dass, wie sein Abteilungsleiter Thomas Müller kürzlich sagte, die Zeit für große Gesetzesvorhaben in dieser Legislaturperiode nun zu Ende gehe, oder ob Lauterbach bereits an eine zweite Amtszeit denkt, ließ der Minister offen.
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