Medizinprodukte-Kontrolle

Implantate-Skandal: TÜV muss vielleicht doch zahlen

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Berlin -

Ein französischer Hersteller verwendet jahrelang billiges Industriesilikon für Brustimplantate. Ob Krankenkassen die Kosten für notwendige Operationen einklagen können, ist weiter unklar: Der Bundesgerichtshof (BGH) weist ein Verfahren zurück.

Minderwertige Brustimplantate aus Industriesilikon eines französischen Herstellers haben viele Frauen geschädigt. Ob sich Krankenkassen die Kosten für notwendige Operationen zum Austausch der reißanfälligen Implantate zurückholen können, ist auch nach dem BGH-Urteil noch nicht klar.

Der VII. Senat hob am Donnerstag das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Nürnberg auf, das eine Haftung des TÜV Rheinland schon aus Rechtsgründen ausgeschlossen hatte. Die AOK Bayern hatte für 26 Patientinnen Operationskosten von zusammen mehr als 50.000 Euro eingefordert. Beim insolventen und liquidierten Hersteller Poly Implant Prothèse (PIP) ist nichts mehr zu holen.

Nach dem BGH-Urteil muss das OLG jetzt inhaltlich prüfen, ob eine Verschuldenshaftung des TÜV Rheinland infrage kommt. Grundlage ist der Paragraf 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), nach dem zu Schadenersatz verpflichtet ist, wer vorsätzlich oder fahrlässig einen Schaden verursacht oder gegen ein Gesetz verstößt, das dem Schutz eines anderen dient.

Der TÜV Rheinland hatte als sogenannte Benannte Stelle Qualitätssicherung und Dokumentation von PIP geprüft, damit der Hersteller CE-Kennzeichen an seinen Produkten anbringen konnte. Diese sind nach dem Medizinproduktegesetz Voraussetzung für den Einsatz in Deutschland.

Die Einhaltung der Regeln diene dem Schutz der Gesundheit der Empfänger. „Die Gewährleistung dieses Schutzes obliegt dabei nicht allein dem Hersteller selbst, sondern auch der Benannten Stelle“, sagte der Vorsitzende Richter Rüdiger Pamp in der Urteilsbegründung. Die Benannte Stelle diene nicht nur dem Hersteller, „sondern gerade auch den Endempfängern der Medizinprodukte“.

PIP hatte nur dann ordnungsgemäße Implantate produziert, wenn der TÜV Rheinland oder französische Behörden im Unternehmen waren, und anschließend wieder Industriesilikon eingesetzt. Die Anwältin des TÜV Rheinland hatte in der Verhandlung im vergangenen September argumentiert, die Prüfer hätten keine Zwangsmöglichkeiten und könnten nicht durchgreifen. Pamp hielt dem in der Urteilsbegründung entgegen, dass die Prüfer zum Beispiel das Recht zu unangemeldeten Besuchen hätten und bei Verdacht einzelne Produkte prüfen könnten.

Nach Überzeugung des Senats ist eine Haftung der Benannten Stelle auch deswegen sinnvoll, weil sonst das Verfahren, das im europäischen Medizinprodukterecht an die Stelle eines behördlichen Zulassungsverfahrens trete, infrage gestellt und entwertet werde. Angesichts der von fehlerhaften Medizinprodukten ausgehenden Gesundheitsgefahren sei ein individueller Schadenersatzanspruch sinnvoll, sagte der Vorsitzende Richter.

Der Senat habe aber nicht festgestellt, dass der TÜV Rheinland im Ergebnis hafte. „Ob ein Anspruch besteht, ergibt sich aus unserem Urteil nicht“, sagte Pamp. Ob die Voraussetzungen für eine Schuldhaftung vorliegen, muss jetzt das OLG feststellen. In einer früheren Entscheidung hatte der BGH-Senat festgestellt, dass einer betroffenen Frau aus Ludwigshafen kein Schadenersatz vom TÜV Rheinland zusteht.

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