Das Impfrecht für Apotheker soll es in Deutschland nicht geben. Das hat der Deutsche Ärztetag in Erfurt ganz zum Schluss entschieden. Delegierte aus Niedersachsen, Nordrhein, Hessen und Baden-Württemberg hatten einen Antrag unter dem Namen „Impfhindernisse beseitigen” eingereicht und darin auch eine Steigerung der Impfraten gefordert. Doch was sich durchaus wie ein Schulterschluss mit Apothekern verstehen ließ, ist in Wirklichkeit eine messerscharfe Abgrenzung zwischen den beiden Berufsgruppen.
In dem Antrag heißt es: „Das Impfrecht muss Ärztinnen und Ärzten vorbehalten bleiben, die nach Paragraf 1 Absatz 2 der Berufsordnung die Aufgabe haben, die Gesundheit zu schützen.“ Zwar sollen die Durchimpfungsraten in Deutschland verbessert werden. Die Ärzte wiesen aber darauf hin, „dass es juristisch nicht denkbar ist, dass geschulte Medizinische Fachangestellte (MF) ohne ärztliche Anwesenheit in der Praxis allein Impfungen verabreichen dürfen. Anaphylaxie, Synkope, Lokalreaktionen sowie Angstreaktionen müssen adäquat beherrscht werden.”
Warum treten Ärzte beim Thema Impfen so deutlich gegen ihre Gesundheitskollegen aus den Apotheken an? „Ärzte sollen impfen, Apotheker nicht”, sagt die Allgemeinärztin und Allergologin Dr. Anne Vitzthun von Eckstädt aus Weinstadt. Diese Position vertritt sie als Mitglied der Impfkommission Baden-Württemberg energisch – und das hat mit ihren Impferfahrungen zu tun.
Seit 41 Jahren als Ärztin und seit 28 Jahren mit eigener Praxis weiß sie um die Nebenwirkungen, die bei Impfungen in Arztpraxen immer wieder vorkommen. Neben Kollaps und epileptischen Anfällen sind auch schwere körperliche Abwehrreaktionen in ihrer Praxis bereits vorgekommen. Hier ist für sie der ganze Komplex aus der Notfallmedizin gefordert – und der sei in Apotheken einfach nicht darstellbar.
Dass andere europäische Länder wie England, Irland, Dänemark, Portugal oder ab 2019 auch Frankreich in Apotheken impfen lassen, überzeugt sie nicht. Hier gehe es nur um Grippeimpfungen, nicht um die ganze Palette.
Vitzthum von Eckstädt macht auch deutlich, dass das klare Nein zum Impfen in Apotheken keinen ökonomischen Grund hat. An einer Impfung in der Praxis verdiene sie rund 10 Euro, der Tierarzt bekomme für das Impfen eines Hundes dagegen 70 Euro. „Ein Zuschussgeschäft für die Arztpraxen” nennt die Medizinerin das. Denn es komme auch noch der enorme zeitliche Aufwand für die Impfberatung hinzu.
Gerade bei der Reiseimpfberatung sei es sehr schwierig. Denn die Reisegeneration von heute betrachte solche Termine ja eher aus der Urlaubslaune heraus und nicht mit dem Gefühl des Krankseins. Da kämen viele oft zu spät für zum Beispiel dreistufige Impfungen gegen Tollwut. Impfpässe seien nicht vorhanden. Unverträglichkeiten, Allergien oder Schwangerschaften seien bei den Impfwünschen der Patientenkunden nicht bedacht.
Das alles sieht sie in Apotheken einfach am falschen Platz. Getreu dem Motto „Schuster, bleib bei deinen Leisten” will sie jedoch auch dann, wenn sich die Debatte um Impfungen in der Apotheke noch zuspitzt – auf gar keinen Fall ein Dispensierrecht für Ärzte einfordern. Denn dieses Schachern um scheinbare oder tatsächliche Standortvorteile sei für die Ärzte nicht wünschenswert. Auch die damit verbundene Bürokratie lehnt sie strikt ab.
Dr. Stefan Hartmann, Apotheker aus München, hält die Forderung seines Berufsstands dennoch für berechtigt. Es gehe auch gar nicht um eine generelles Impfrecht für alle Apotheker in allen Apotheken. Hartmann will in einem kontrollierten Pilotprojekt genau das ausprobieren dürfen, was bei etlichen europäischen Nachbarn längst gut läuft, nämlich das Grippeimpfen in Apotheken. Dafür müssten erstmal gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die neben der Fortbildung auch die räumlichen Voraussetzungen in Apotheken regeln müssten.
Bei so einem Pilotprojekt müssten alle Beteiligten auch ergebnisoffen an die Sache herangehen. Die guten Erfahrungen aus den Nachbarländern zeige den Apothekern in Deutschland aber bereits, dass dieser spezielle Impfservice bei den Kunden gut ankomme. Diese würden bei solchen Zusatzangeboten mit den Füßen abstimmen und somit am Ende den Erfolg oder Misserfolg von Impfapotheken mitbestimmen, so Hartmann.
Gerade das Grippeimpfen mit einer aktuellen Durchimpfungsrate von unter 50 Prozent in Deutschland, aber auch Urlaubsimpfungen gehörten für Kunden zu den Leistungen, für die sie im Zweifel ungern zwei Stunden in einer Arztpraxis sitzen wollten, so Hartmann weiter. Dies gelte umso mehr, wenn sie es bei dem niederschwelligeren Angebot aus der Apotheke um die Ecke schneller bekämen.
Dass Ärzte an den Impfleistungen nicht genug verdienen, bestreitet Hartmann nicht. Er könne sich aber vorstellen, dass im Rahmen eines Impfprojektes die Vergütungsfrage neu angestoßen würde und letztlich zu höheren Honoraren sowohl bei impfenden Apothekern als auch impfenden Ärzten führen könnte.
Der Grund für die erneute vehemente Positionierung der Ärzte gegen Impfungen in der Apotheke ist nach Hartmanns Einschätzung ein berufsständisches Problem, das übrigens auch die Apotheker hätten. Sie haben den Versandhandel nicht gewollt, aber er ist da, weil es die Kunden wollten. Genauso müssten Apotheker schauen, was sie künftig anbieten können und was Teledoc, Amazon oder auch Versandapotheken eben nicht könnten. Das gehört für die stationären Apotheken zur Standortbestimmung und -sicherung dazu.
Der Wunsch der Apotheker, für Grippeimpfungen ein Pilotprojekt anzustoßen, einfach mit der Gegenforderung nach einem dann fälligen Dispensierrecht für Ärzte zu verbinden, hält Hartmann für einen kindischen Reflex. Hier müsse die Politik im Zweifel ein Machtwort sprechen. Von der ABDA fordert Hartmann eine klare Positionierung pro Impfapotheke.
Was ist eure Meinung? Sollten Apotheken impfen? Unter welchen Voraussetzungen? Und wie sollte mit der Kritik der Ärzte umgegangen werden? Jetzt mitdiskutieren im LABOR von APOTHEKE ADHOC!
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