Die Bundesregierung sieht nach wie vor keinen Handlungsbedarf bei Impfstoffengpässe: Eine gesetzliche Meldepflicht für bei drohenden Lieferengpässen sei derzeit nicht geplant, heißt es in der Antwort des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) auf die kleine Anfrage der grünen Abgeordneten Kordula Schulz-Asche. Die Regierung will zudem zunächst die Ergebnisse des Pharmadialogs abwarten.
Die Grünen hatten in ihrer Kleinen Anfrage ein verbindliches Register von Lieferengpässen beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI) vorgeschlagen. Damit diese Informationen möglichst vollständig sind, könnten neben den Herstellern auch Großhändler oder Krankenhausapotheken zur Meldung verpflichtet werden.
Für das BMG antwortete Gesundheitsstaatssekretärin Ingrid Fischbach (CDU): Das PEI habe mit der Industrie bereits ein Verfahren entwickelt. Bei Versorgungsengpässen mit Standardimpfstoffen werde zudem eine mit dem Robert Koch-Institut (RKI) abgestimmte Empfehlung an die Ärzte gegeben, etwa zu Alternativen oder Impfstoffkombinationen.
Die Hersteller hätten sich selbst verpflichtet, das PEI unverzüglich zu informieren. „Eine gesetzliche Regelung erscheint daher zurzeit nicht erforderlich“, so Fischbach. Dasselbe gilt für Großhändler und Krankenhausapotheken: Hier stehe schon der erhebliche Verwaltungsaufwand in keinem Verhältnis, zumal aus Sicht der Regierung nicht jeder Lieferengpass auch einen Versorgungsengpass zur Folge hat.
Die Grünen wollten auch wissen, warum die Regierung keine jährliche Auswertung der PEI-Daten vornimmt. Dem BGM zufolge trage eine retrospektive Betrachtung und Veröffentlichung wenig zur Beurteilung der Versorgungslage bei. Schließlich seien die Ursachen für Produktionsausfälle bei biologischen Arzneimitteln vielschichtig und ermöglichten keine Aussage zur aktuellen oder künftigen Versorgungslage.
Die Abgeordneten um Schulz-Asche sprechen auch „systematische Versorgungsengpässe“ bei anderen Arzneimitteln an, etwa ein fünfwöchiger Defekt des Krebsmedikaments Melphalan oder die Engpässe beim Antibiotikum Ampicillin. Die Regierung kontert, Lieferengpässe seien nicht zwangsläufig mit medizinischen Versorgungsengpässen gleichzusetzen.
Man nehme das Thema sehr ernst, tatsächlich sei es aber nur in einigen Fällen „zu ernsthaften Einschränkungen der Versorgung gekommen (Bereich Onkologie)“, schreibt Fischbach. Zwar führten Lieferengpässe zu einem erhöhten Aufwand auf Seiten der Ärzte, Krankenhäuser und Apotheker. Allerdings stünden häufig Alternativen zur Verfügung, ist man im BMG überzeugt.
Deshalb plant die Regierung auch bei Arzneimitteln keine Veröffentlichung einer Auswertung der Defektlisten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu Lieferengpässen. „Die Zielsetzung des Registers ist es, über die jeweils aktuelle Situation der Lieferbarkeit zu informieren“, schreibt Fischbach.
Weitere Maßnahmen werden dem BMG zufolge derzeit beim Pharmadialog erörtert. Diese Ergebnis will die Regierung zunächst abwarten. Zuvor erwartet man im Ministerium eine Liste von unverzichtbaren Arzneimitteln, auf der weitere Maßnahmen aufbauen könnten. Die ärztlichen Fachgesellschaften hätten die Zusendung einer vollständigen Liste zu Ende Oktober zugesagt, so Fischbach.
Schulz-Asche ist mit der Antwort nicht wirklich zufrieden: „Entweder stochert die Bundesregierung selbst im Nebel, oder sie versucht, Ursachen für Lieferengpässe zu vernebeln“, so die grüne Abgeordnete. Der Pharmadialog sei eine „Blackbox“, Öffentlichkeit und Parlament seien außen vor. „Nicht nur Außenstehende sondern selbst an den Gesprächen Beteiligte fragen sich, was beim Pharmadialog eigentlich herauskommen soll.“
Positiv zu bewerten sei, dass seit dem 9. Oktober endlich auch Lieferengpässe für Impfstoffe veröffentlicht würden. Zusätzlich wäre eine jährliche systematische Auswertung laut Schulz-Asche sinnvoll, um strukturelle Probleme analysieren zu können. „Doch in Bezug auf Medikamente fährt das Gesundheitsministerium lieber auf Sicht, statt die langfristige Entwicklung in den Blick zu nehmen.“ Das BfArM fordere seit 2014 eine Meldepflicht für Engpässe. „Warum das Gesundheitsministerium seine eigenen Spezialisten mit dieser Forderung derart im Regen stehen lässt, ist schleierhaft“, so Schulz-Asche.
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