Rabattverträge gefährden Flüchtlingsversorgung APOTHEKE ADHOC, 25.09.2015 13:13 Uhr
Eine große Herausforderung bei der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen sind Impfstoffe. Da einige Vakzine ohnehin knapp sind, drohen Versorgungsengpässe. Der Hausärzteverband kritisiert die Sparpolitik der Krankenkassen und fordert ein Ende der Ausschreibungen für Impfstoffe.
„Wir kommen in ein Problem der Verteilung“, sagte der Vorsitzende des Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt. Er sieht die Verantwortung aber nicht bei seinen ärztlichen Kollegen: „Wir werden jetzt nicht Depots bilden und Impfstoffe nach irgendwelchen merkwürdigen Kriterien verteilen.“ Die Kollegen würden verimpfen, was da ist. „Damit können wir vielleicht den Druck erhöhen, dass mehr Impfstoffe produziert werden“, so der Chef des Hausärzteverbandes.
Weigeldt kritisiert, dass es für die meisten Impfstoffe nur noch wenige Hersteller gibt. Ursächlich sind aus seiner Sicht die Ausschreibungen der Krankenkassen. Hauptgeschäftsführer Eberhard Mehl fügte hinzu, dass Rabattverträge schon einmal in der Kritik standen. Es sei fraglich, „ob man in der Art und Weise bei Impfstoffen Rabattverträge schließen muss, die zu einer künstlichen Verknappung führen.“
Mehl sieht in dem Wunsch der Krankenkassen nach weiteren Einsparungen die Ursache für diese Knappheit. „Das ist ein Vabanquespiel, das da betrieben wird“, so Mehl. Wenn es beim nächsten Engpass ein gefährliches Virus gäbe, könne die Sparpolitik ernsthafte Folgen haben. „Die Leidtragenden sind die Patienten, die Ärzte aber auch“, sagte Mehl mit Blick auf den drohenden Verteilungskampf. „Daher unser Appell an die Krankenkassen, vernünftige Verträge mit der Industrie zu schließen.“
Von den rund 70 Vakzinen auf dem Markt sind derzeit 14 von Lieferschwierigkeiten betroffen – das ist jede fünfte. Probleme bereitet den Herstellern vor allem die Komponente gegen Keuchhusten und Polio. Betroffen sind daher vor allem die Kombinationsimpfstoffe für die Grundimmunisierung.
Impfexperten hatten angesichts des anhaltenden Flüchtlingsandrangs vor Versorgungsproblemen bei Grippeimpfstoffen gewarnt. „Die Verfügbarkeit ist die größte Herausforderung“, sagte Dr. Michael Pfleiderer vom für Impfstoffe zuständigen Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Erfurt. Dort hatten in der vergangenen Woche rund 150 Fachleute auf einem Kongress der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten über die Vorbeugung von Grippe diskutiert.
Wegen des Zusammenlebens vieler Menschen auf engstem Raum in den Flüchtlingsunterkünften halte er die Impfung von Flüchtlingen für sinnvoll, sagte Kongressleiter Professor Dr. Peter Wutzler. Allerdings gelte das Prinzip der Freiwilligkeit bei Impfungen auch für Flüchtlinge. „Wir können da nicht einfach Pflichtimpfungen anordnen.“