Änderungen auf dem Rezept müssen vom Arzt gegengezeichnet werden, sonst droht der Apotheke eine Nullretaxation. Doch was ist, wenn die Verordnung von Anfang an handschriftlich ausgestellt und danach korrekt mit Stempel und Unterschrift versehen wurde? Ein Apotheker aus Rheinland-Pfalz wehrt sich gegen eine aus seiner Sicht besonders dreiste Retaxation.
Die Kinderärztin hatte für den Sprechstundenbedarf Hexyon bestellt. Der Impfstoff enthält Komponenten gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis sowie gegen Haemophilus influenzae b, Hepatitis B und Poliomyelitis. Auf dem Rezept standen außerdem der Poliomyelitis-Impfstoff IPV sowie Covaxis (Diphterie, Pertussis, Tetanus). Die Praxis wurde entsprechend beliefert.
Dennoch retaxierte die Kasse mit der Begründung „handschriftliche Veränderung an der Verordnung nicht vom Arzt bestätigt“. Tatsächlich hatte die Kinderärztin das Rezept mit Hexyon Ampullen bedruckt und dazwischen Platz gelassen. Bei der Verordnung hatte sie dann die gewünschte Menge „2x10“ in den Zwischenraum geschrieben. IPV und Covaxis hatte sie in den Zeilen darunter jeweils mit der Mengenangabe „10 Ampullen“ komplett handschriftlich ergänzt.
Eine nachträgliche Änderung des Rezepts fand nach Angaben des Apothekers nicht statt. Trotzdem kürzte die Kasse seine Rechnung um knapp 1700 Euro. Der Apotheker will das nicht hinnehmen. Die Ärztin bestätigte ihm schriftlich, dass sie die Impfstoffe genauso so gewünscht und auch erhalten habe. Bislang hat das alles nichts genutzt.
Der Apotheker hat für das Vorgehen der Kasse überhaupt kein Verständnis. „Ich kann Retaxationen in solchen Fällen ja verstehen, wenn das Medikament an einen Patienten geht. Aber hierbei handelt es sich um ein Rezept für den Sprechstundenbedarf.“ Eine Manipulation würde dabei doch viel schneller auffallen. Außerdem sei ihm natürlich die Handschrift der Ärztin vertraut, was er auch der Kasse mitgeteilt habe.
Was dem Apotheker an seinem Fall besonders komisch vorkommt: Die Kasse hat 19 Ampullen Hexyon sowie die Verordnung von IPV und Covaxis retaxiert, eine Ampulle Hexyon dagegen erstattet. Offenbar hat die Retaxstelle der Kasse den Aufdruck „Hexyon Ampullen“ als Verordnung akzeptiert und die Ungenauigkeit mit dem Plural durchgehen lassen. Für den Apotheker ist das der letzte Beweis, dass die Kasse in diesem Fall mit ihm einfach nur Geld sparen möchte. „Welche Ärztin bestellt denn bitte 'eine Ampullen' eines Sechsfachimpfstoffes?“
Der Landesapothekerverband (LAV) hat im Namen des Apothekers Einspruch eingelegt. Die Ergänzungen seien direkt bei Ausstellung des vorgedruckten Rezeptes gemacht worden, anschließend habe die Ärztin unterschrieben, heißt es darin. Da diese auch den Erhalt der Impfstoffe bestätigt habe, möge die Kasse die Retaxation bitte zurücknehmen.
Die Kasse erwiderte, dass „vom Apotheker hinsichtlich der Menge abgeänderte oder ergänzte Verordnungen“ nur beliefert werden dürften, wenn der Arzt die Änderungen mit seiner Unterschrift bestätige. Der LAV habe bereits 2002 seine Mitglieder darüber informiert, dass jegliche Bestätigungen durch den verordnenden Arzt nach der Abrechnung nicht mehr akzeptiert würden. Daher halte man die Taxbeanstandung aufrecht. Die Sache liegt jetzt im Schlichtungsausschuss. Der Apotheker hat also noch Hoffnung, sein Geld doch noch zu bekommen.
Ein Kollege aus Berlin hatte unlängst ein ähnliches Problem mit einer BKK. Er hatte ein maschinell ausgestelltes Rezept über Humira (Adalimumab, Abbvie) beliefert. Zusätzlich hatte der Arzt handschriftlich zweimal Turixim-Nasensalbe verordnet, auch diese hatte der Pharmazeut abgegeben. Doch die Kasse wertete auch dies als nachträgliche Ergänzung, die vom Arzt hätte gegengezeichnet werden müssen.
Aus Sicht des Apothekers handelte es sich eindeutig nicht um eine nachträgliche Änderung: Die Verordnung sei für ein Kind ausgestellt worden, das Humira als Dauermedikation erhalte. Da könne es schon einmal passieren, dass der Arzt das Rezept wie gewohnt ausdrucke und dann andere benötigte Medikamente dazu verordne, so der Apotheker. Auch die Kugelschreiberfarbe stimme bei Medikament und Unterschrift überein. Es habe also keinen ersichtlichen Grund gegeben, die Augensalbe gegenzeichnen zu lassen. Und tatsächlich: Die BKK hat die Retaxation zwischenzeitlich zurückgenommen.
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