Die Ampel will die Fälschung von Impfnachweisen unter Strafe stellen. Das geht aus einem Entwurf für eine „Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ hervor, den die geschäftsführende Bundesregierung für SPD, Grüne und FDP erarbeitet hat.
Das Erstellen und Einlösen von gefälschten Impfnachweise ist nach derzeitiger Rechtslage möglicherweise nicht strafbar, jedenfalls kam das Landgericht Osnabrück zu einem entsprechenden Ergebnis. Während die Generalstaatsanwaltschaft in Niedersachsen eine andere Meinung vertritt, ist auch in der Politik die Sorge gewachsen, dass Impfpassfälscher straffrei ausgehen könnten. Daher soll jetzt nachgebessert werden. Die Unionsfraktion plant einen eigenen Gesetzentwurf, doch auch die Ampel hat sich in ihrem ersten Gesetzesvorhaben des Themas angenommen.
Das Problem: Innerhalb des auf Urkundenfälschungen bezogenen Abschnitts 23 des Strafgesetzbuches (StGB) ist der strafrechtliche Schutz von Gesundheitszeugnissen gesondert geregelt: So enthalten die Vorschriften der §§ 277 bis 279 StGB Straftatbestände, die sich speziell auf Fälschung, Ausstellen und Gebrauch von (unrichtigen) Gesundheitszeugnissen beziehen. „Diese seit Inkrafttreten des Reichsstrafgesetzbuches am 1. Januar 1872 in ihren Tatbeständen unveränderten Strafvorschriften erscheinen teilweise nicht mehr als zeitgemäß und frei von Widersprüchen zu anderen Vorschriften des 23. Abschnitts“, heißt es im Gesetzentwurf von SPD, Grüne und FDP, den das Bundesgesundheitsministerium (BMG) unter Beteiligung von anderen Ministerien für die künftigen Ampel-Koalitionäre erarbeitet hat.
Insbesondere wiesen die relevanten Paragrafen einen „begrenzten Kreis von Täuschungsadressaten auf (‚Behörde oder Versicherungsgesellschaft‘)“. Die Vorlage eines gefälschten Impfpasses in der Apotheke ist damit nicht erfasst. „Daneben ist festzustellen, dass einzelne strafwürdige Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Gesundheitszeugnissen noch nicht hinreichend klar strafrechtlich erfasst sind. Angesichts der erheblichen praktischen Bedeutung von Gesundheitszeugnissen gerade in Pandemie-Situationen ist jedoch ein von dogmatischen Unsicherheiten freier strafrechtlicher Schutz des Rechtsverkehrs vor unrichtigen Gesundheitszeugnissen zu gewährleisten“, heißt es im Entwurf.
Um die Strafbarkeit sämtlichen strafwürdigen Verhaltens im Bereich der Fälschung von Impfausweisen zweifelsfrei sicherzustellen, soll § 275 StGB um einen Absatz 1a ergänzt werden, der einen neuen Straftatbestand vorsieht, mit dem Konstellationen der Manipulation von Blankett-Impfausweisen erfasst werden sollen. Gemeint sind Impfausweise, die „noch nicht personalisiert sind, die also noch keine Angaben zur Person der Inhaberin oder des Inhabers enthalten“. Dazu heißt es: „Wenn in solche Blankett-Impfausweise bereits mindestens eine – tatsächlich nicht erfolgte – Impfung eingetragen wird, dann ist nach geltender Rechtslage zweifelhaft, ob bereits vor Personalisierung des Impfausweises eine Fälschung von Gesundheitszeugnissen (§ 277 StGB), ein Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse (§ 278 StGB) oder eine Urkundenfälschung (§ 267 Absatz 1 Variante 1 StGB) vorliegen kann.“
Hier könnte die Bewertung – je nach Auslegung – schon daran scheitern, dass noch kein Personenbezug gegeben ist. „Für den effektiven Schutz des Rechtverkehrs vor unrichtigen Impfausweisen ist es aber unerlässlich, dass auch schon das entsprechende Präparieren von Blankett-Impfausweisen und der Handel mit solchen Produkten rechtssicher unter Strafe steht. Denn andernfalls könnte die Strafbarkeit des Herstellens und des Handels mit Blankett-Impfausweisen, die mit falschen Impfeinträgen versehen sind, davon abhängen, ob in die Impfausweise später Namen und sonstige personenbezogene Daten eingetragen werden.“
Es müsse aber bereits das Herstellen derart präparierter Impfausweise und deren Anbieten „rechtssicher pönalisiert“ sein, weil diese Handlungen eine „sehr hohe Gefahrgeneigtheit“ aufwiesen. Mit dem Eintragen personenbezogener Daten bedürfe es nur noch eines „minimalen weiteren Aufwandes“. „Es ist auch kein legaler Verwendungszweck für solche unrichtigen Blankett-Impfausweise ersichtlich.“
Die neue Regelung unterscheidet Impfausweise von amtlichen Dokumenten wie Ausweisen und Papieren, da sie nicht durch Behörden ausgegeben und ausgefüllt werden, sondern üblicherweise in Arztpraxen durch Ärztinnen und Ärzte oder durch deren Hilfspersonal. „Deswegen ist im neuen Tatbestand der Vorbereitung der Herstellung unrichtiger Impfausweise darauf abzustellen, dass die Herstellung eines unrichtigen Impfausweises dadurch vorbereitet wird, dass in Blankett-Impfausweise mindestens eine Impfung eingetragen wird (‚indem er in einem Blankett-Impfausweis eine nicht durchgeführte Schutzimpfung dokumentiert‘).“
Laut Entwurf sind damit „alle Konstellationen des händischen oder maschinellen Hineinschreibens oder -druckens von Einträgen, aber auch des Einklebens, Anheftens oder ähnlicher Verbindungshandlungen erfasst“. Weitere strafbare Handlungen im Zusammenhang mit dem Handel von präparierten Blankett-Impfausweisen sind ebenfalls erfasst, etwa dass jemand „sich oder anderen derartige Impfausweise verschafft, sie feilhält, verwahrt, einer anderen Person überlässt oder sie ein- oder ausführt“. Die Strafandrohung ist wie bei der Fälschung amtlicher Ausweise nach § 275 Absatz 1 StGB Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahre oder Geldstrafe.
Wer gewerbs- oder bandenmäßig die Herstellung unrichtiger Impfausweise vorbereitet, ist unter Anwendung eines verschärften Strafrahmens von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe zu bestrafen. Durch eine Ergänzung in § 275 Absatz 2 StGB wird dessen Qualifikationsvorschrift auch auf solche Konstellationen des neuen Absatzes 1a erstreckt.
Auch der Straftatbestand des § 277 StGB (Fälschung von Gesundheitszeugnissen) wird überarbeitet, um die bisherige Privilegierung gegenüber sonstigen Urkunden zu beenden. Zum einen soll nicht nur der tatsächliche Gebrauch eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses strafbar sein. „Vielmehr besteht eine erhebliche Gefahr für den Rechtsverkehr bereits dann, wenn derart unrichtige Zeugnisse erstellt werden.“ Zum anderen soll die Strafbarkeit auch nicht mehr auf Konstellationen beschränkt sein, bei denen Behörden oder Versicherungsgesellschaften getäuscht werden sollen. „Denn strafwürdig erscheinen auch Fälle, bei denen sonstige Teilnehmende am Rechtsverkehr getäuscht werden sollen.“
Erfasst sind damit laut Entwurf auch Konstellationen, in denen die Täterin oder der Täter davon ausgeht, dass „das unrichtige Gesundheitszeugnis gegenüber einer anderen Person zum Einsatz kommen wird, um diese zu einem rechtlich erheblichen Verhalten zu veranlassen“. Gemeint ist etwa die Zulassung zum Besuch von Einrichtungen oder Veranstaltungen, aber auch die Täuschung etwa des Arbeitgebers ist laut Entwurf strafwürdig. „Dabei ist weder Absicht erforderlich noch, dass sich der Vorsatz schon auf die das Zeugnis später vorlegende Person oder die Person, der das Zeugnis vorgelegt werden soll, konkretisiert hat.“
Eine weitere Konstellation, die der Entwurf ausschließen will, ist das Ausstellen eines falschen Testnachweises durch eine „zur Durchführung oder Überwachung der Testung berechtigte Person, die nicht zugleich eine approbierte Medizinalperson [...] ist“, sowie die Nutzung eines solchen Zertifikats. Ausdrücklich sollen auch sämtliche Fälle unter Strafe gestellt werden, bei denen fremde Gesundheitszeugnisse – also solche, die sich auf den Gesundheitszustand einer anderen Person beziehen – zur Täuschung im Rechtsverkehr verwendet werden. „Denn auch in einem solchen Verhalten liegt ein strafwürdiger Angriff auf die Sicherheit des Rechtsverkehrs im Umgang mit Gesundheitszeugnissen.“
Durch die Aufnahme von Gesundheitszeugnissen in die Aufzählung der Ausweispapieren gleichgestellten Dokumente soll sichergestellt werden, dass auch das Überlassen und der Gebrauch solcher fremder Gesundheitszeugnisse strafbar ist, die nicht im Verkehr als Ausweise verwendet werden. Weitere Anwendungsfälle des erweiterten Straftatbestandes wären etwa die Vorlage eines auf eine andere Person ausgestellten Attestes beim Arbeitgeber oder im Restaurant in der Hoffnung, dass das Auseinanderfallen der Personenidentitäten nicht auffällt.
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