Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat vor übertriebenen Erwartungen an den „Impfgipfel“ gewarnt. „Wir können durch einen Gipfel alleine noch nicht mehr Impfstoffe produzieren“, sagte Spahn am Sonntagabend in einem „Bild“-Talk. Impfstoffproduktion sei das Anspruchsvollste, was es gebe. „Und deshalb geht das nicht in drei oder fünf Wochen.“
Angesichts erheblicher Kritik am schleppenden Impfstart und der Produktionsprobleme einiger Hersteller will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an diesem Montag mit Ministerpräsidenten, Bundesministern und Branchenvertretern über die Lage beraten. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat in einem Brief an Merkel einen „nationalen Impfplan“ gefordert. Wenn man bis Ende September allen Menschen in Deutschland ein Impfangebot machen wolle, sei ein konkreter Fahrplan nötig, argumentierte er.
Spahn mahnte, man müsse realistisch bleiben. Wichtig sei, dass man bei dem Spitzentreffen zunächst ein einheitliches Bild bekomme, wo die Schwierigkeiten lägen und wo die Politik helfen könne. Die Bundesregierung könne den Bundesländern auch nur die Lieferdaten und -mengen nennen, die sie von den Herstellern bekomme. Die Produktion von Impfstoff lasse sich auch mit Geld nicht beschleunigen. Es sei keine Frage des Geldes, wie ihm auch die Industrie versichert habe. Spahn wandte sich auch gegen Forderungen, Impfstoff-Hersteller zur Vergabe von Lizenzen zu zwingen. Das mache nur dann Sinn, wenn die Firmen nicht kooperieren würden – was aber nicht der Fall sei, betonte er.
Dass in Deutschland später mit den Impfungen begonnen wurde als in anderen Ländern, rechtfertigte er einmal mehr damit, dss anstelle eine Notzulassung eine ordentliche Zulassung abgewartet worden sei: „Das hat drei bis vier Wochen länger gedauert. Aber ich bin sicher, dass wir dadurch zusätzliches Vertrauen erhalten. Im Moment reden wir über Knappheit. Aber schon bald brauchen wir auch einen sehr hohen Anteil der Bevölkerung, der sich impfen lässt. Dafür brauchen wir Vertrauen. Und dafür ist eine ordentliche Zulassung wichtig.“
Auch in Israel, wo deutlich mehr Menschen gemessen an der Bevölkerungszahl geimpft seien, gebe es weiter einen Lockdown, sei das Virus nicht unter Kontrolle, so Spahn. „Israel hat neun Millionen Einwohner, drei oder vier Millionen Dosen wurden verimpft. Diese Zahlen haben wir auch, wir haben aber 80 Millionen Einwohner. Und: Israel hat deutlich weniger Menschen in der älteren Generation.“
Immer wieder hakte Bild-Vize Paul Ronzheimer nach, warum Spahn im Sommer nicht interventiert habe, als klar wurde, dass die EU zu zögernd bei der Bestellung von Impfstoff war. Spahn blieb im Ungefähren, den Brief an die EU-Kommission etwa wollte er bis zum Abdruck bei Bild gar nicht mehr gekannt haben. Auch die Frage nach eigenen Fehlern beantwortete er nur indirekt: „Die Frage ist: Habe ich wider besseres Wissen etwas falsch oder nicht entschieden? Die Antwort ist: Nein. Wir alle entscheiden in Phasen von Unsicherheit in einer Pandemie und müssen immer wieder mit neuen Erkenntnissen auch Entscheidungen anpassen.“ Angesprochen auf seine eigenen Versprechen, räumte Spahn ein, dass er diese immer unter Vorbehalt gegeben habe.
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