„Den Apothekern fehlt es beim Impfen schlicht an medizinischer Kompetenz.“ Mit diesen scharfen Worten hatte die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) im Februar den Corona-Impfstart in den nordrhein-westfälischen Apotheken kommentiert. Und vor eben diesem Hintergrund wendet sie sich unverändert scharf gegen eine geplante Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), mit dem Apothekerinnen und Apotheker berechtigt werden sollen, auch außerhalb von Modellvorhaben Grippeschutzimpfungen bei Erwachsenen durchzuführen.
„Es hat sich nichts geändert – und gerade das ist so bedenklich: Impfen funktioniert immer noch nicht im Vorbeigehen, und kurze Qualifikationsschulungen der Apotheker sichern immer noch keine medizinischen Fähigkeiten. Darum: Impfen ist kein Experimentierfeld für die Apotheken! Es gehört nach wie vor allein in die Arztpraxen“, so Dr. Dirk Spelmeyer, Vorstandsvorsitzender der KVWL.
Unklar sei schon, auf welcher Basis die geplante Gesetzgebung fußen solle: Zwar seien seit März 2020 Modellprojekte zu Grippeschutzimpfungen in Apotheken gesetzlich möglich, allerdings könnten bisher keine Zahlen, Daten oder Fakten in die Gesetzgebung eingeflossen sein, da weder die volle Projektlaufzeit von fünf Jahren abgelaufen ist noch belastbares Zahlenmaterial vorliege.
Thomas Müller, Vorstandsmitglied der KVWL, ist mehr als verwundert: „Gerade vor dem Hintergrund der an sich exzellenten wissenschaftlichen Expertise des Epidemiologen und Bundesgesundheitsministers Professor Dr. Karl Lauterbach ist das Ganze umso unverständlicher. Warum werden hier alle Grundregeln wissenschaftlichen Arbeitens missachtet? Warum wird eine Entscheidung getroffen, ohne das Ende der Projektlaufzeit abzuwarten und die anschließenden Evaluierung des Modellprojekts zu den Influenza-Impfungen in den Apotheken einfließen zu lassen?“
Müller wird deutlich: „Wer solche wissenschaftlichen Standards vernachlässigt, muss sich fragen lassen, was die eigentliche Intention ist und inwieweit Lobby-initiierte Imageaspekte eine Rolle gespielt haben könnten.“
Dr. Volker Schrage, stellvertretender Vorstandsvorsitze der KVWL, konstatiert: „Hier ist, zum wiederholten Male übrigens, ganz klar eine rote Linie überschritten worden – die Linie zwischen fachpharmazeutischer Beratung und medizinischer Behandlung. Völlig unklar bleibt dabei auch, wer die Versorgungsqualität sichern soll!“ Schrage lässt zudem das Argument niedriger Impfzahlen schlicht nicht gelten: „Medizinisch ausgebildete Teams leisten seit Jahren bei den Grippe-Impfungen und seit Beginn der Pandemie hervorragende Arbeit bei den Corona-Impfungen. Die Zahlen sprechen für sich und sind nur möglich, weil die niedergelassenen Ärzte und ihre Praxisteams dank ihrer Kompetenz ein großes Vertrauen bei den Patientinnen und Patienten genießen.“
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