Impfapotheker kritisiert Hausärzte Alexander Müller, 20.04.2021 11:07 Uhr
Das Impftempo hat sich mit der Einbeziehung der Hausärzt:innen deutlich gesteigert. Doch geht das auf Kosten der Verteilungsgerechtigkeit? Der pharmazeutische Leiter eines Impfzentrums kritisiert, dass die Priorisierung in den Praxen oft nicht eingehalten werde. Die noch immer knappen Impfstoffe würden unkontrolliert und allzu freihändig verteilt.
Wer sich wann gegen Corona impfen lassen kann, ist ziemlich genau geregelt. Gestaffelt nach Risikogruppen – vor allem Alter, Vorerkrankungen oder beruflicher Tätigkeit – werden die Termine vergeben. Apotheker:innen und PTA können in der Prio-Liste nur nach vorne rutschen, wenn ihr Betrieb sich als Teststelle hat beauftragen lassen.
„In den Impfzentren wird jede Woche besprochen, wie wir uns so organisieren, dass die Priorisierung eingehalten werden kann“, berichtet der Apothekeninhaber, der als pharmazeutischer Leiter in einem Impfzentrum tätig ist. Das sei mit entsprechenden Wartelisten auch gut darstellbar.
Empört zeigt er sich deshalb über den „Wildwuchs in der Hausärztelandschaft“. Einige Praxen richteten Wartelisten ein, auf denen sich jeder eintragen könne. „Das dürften nur welche sein, die priorisiert sind. Der Arzt begeht sonst einen Rechtsverstoß“, so der Impfapotheker. Er habe es in seiner eigenen Apotheke erlebt, dass eine Privatpatientin ganz stolz in der Offizin erzählt habe, sie sei gerade von ihrem Arzt geimpft worden – obwohl sie zu keiner Risikogruppe zählt. „Dieser Irrsinn der Prioritätsignoranz muss aufhören“, findet der Pharmazeut.
Doch die Einhaltung der Listen ist in der Praxis nicht immer leicht, weil es insgesamt weniger Patient:innen gibt. Gerade die wechselnden Empfehlungen zum Impfstoff von AstraZenca haben für Verunsicherung gesorgt. Viele Ältere wollen sich nicht mit Vaxzevria impfen lassen, obwohl sie mittlerweile die einzige Zielgruppe sind. Der Impfstoff wird in dieser Woche erstmals auch an Praxen ausgeliefert – diesmal noch zwangsweise. Die Praxen mit den Wartelisten berufen sich darauf, keinen Impfstoff verschwenden zu wollen.
Das ist von der Impfverordnung tatsächlich gedeckt. Demnach darf von der vorgesehenen Reihenfolge abgewichen werden, „wenn dies für eine effiziente Organisation der Schutzimpfungen oder eine zeitnahe Verwendung vorhandener Impfstoffe notwendig ist, insbesondere um einen Verwurf von Impfstoffen zu vermeiden“.
Der pharmazeutische Leiter des Impfzentrums glaubt nicht, dass hier das Problem liegt. „Wir haben im Impfzentrum auch Reservelisten. Zum Teil werden die Leute um 21:30 Uhr angerufen und kommen dann auch – aber es sind immer Impfberechtigte.“ Dass eine Dosis verfalle, komme nie vor: „In den Impfzentren wird nichts weggeschmissen, dafür lege ich meine Hand ins Feuer“, ist der Apotheker überzeugt. Und: „Die Hausärzte unterliegen nicht denselben Kontrollen wie die Kollegen in den Impfzentren.“
Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, lehne sich dagegen sehr weit aus dem Fenster, wenn er behaupte, eine Impfung in den Praxen würde besser funktionieren. Die KBV hatte kritisiert, dass Impfzentren bei der Belieferung zulasten der Praxen bevorzugt würden.
Der Impfapotheker hat dagegen die Erfahrung gemacht, dass die Praxen vor Ort nicht besonders engagiert waren, als es um die Impfung bettlägriger Menschen ging. „Das wollten die Ärzte nicht übernehmen, weil so ein Termin eine Dreiviertelstunde dauert.“ Hier könnten sich die Hausärzte aus seiner Sicht viel mehr einbringen. Den Vorschlag, die Impfzentren jetzt abzubauen, hält er dagegen für totalen Unsinn.