„Immunsystem“ oder „Abwehrkräfte“ sind typische Produktgruppen in Apotheken. Allerdings sollten sich in diesen Kategorien – in der Freiwahl wie im Online-Shop – besser keine Nahrungsergänzungsmittel (NEM) befinden. Denn zumindest aus Sicht des Landgerichts Osnabrück handelt es sich sonst bereits um einen wettbewerbsrechtlichen Verstoß. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Die Versandapotheke Apotal (Bad-Apotheke, Bad Rothenfelde) bewirbt auf ihrer Seite Kurmkuma-Kapseln. Das Produkt ist auch in der Kategorie „Immunsystem“ und hier in der Unterkategorie „Abwehrkräfte“ zu finden. Die Wettbewerbszentrale sieht darin einen Verstoß gegen die Health Claims Verordnung (HCVO).
Denn bei der Bewerbung von NEM nur in sehr allgemeine Formulierungen aus einer Positivliste zulässig, gesundheitsbezogene Aussagen dagegen sehr eingeschränkt. Im Beipackzettel der Kapseln heißt es: „Curcumin-Loges trägt mit Vitamin D zur normalen Funktion des Immunsystems bei und unterstützt eine gesunde Immunantwort bei Entzündungen.“ Allein die Kategorisierung stellt aber aus Sicht der Wettbewerbszentrale einen Verweis auf nichtspezifische Vorteile der Kapseln dar.
Apotal vertritt dagegen die Auffassung, dass die Werbung den gesetzlichen Anforderungen genüge. Die Bezeichnungen „Immunsystem“ und „Abwehrkräfte“ stellten keine gesundheitsbezogenen Angaben dar, weil sie keinen qualitativen oder funktionalen Aussagekern hätten. Es werde auch keine konkrete Funktion des Produktes auf den menschlichen Organismus dargelegt. Außerdem gebe es den Hinweis auf die Pflichtangaben gemäß der HCVO.
Doch das Landgericht gab der Klage statt. Die Gruppierung stellt aus Sicht der Richter einen Verweis „auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nahrungsergänzungsmittels für die Gesundheit im Allgemeinen beziehungsweise auf das gesundheitsbezogene Wohlbefinden“ dar.
Eine gesundheitsbezogene Angabe nach HCVO ist „jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht“, zitiert das Gericht aus der Verordnung. Der Zusammenhang zwischen dem NEM und der Gesundheit könne auch indirekt geschehen, wie hier über die Kategorie.
Das LG verweist auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg, wonach die Angabe des Wortes „Gesundheit“ selbst nicht erforderlich ist. Es müsse demnach lediglich bei einem aufmerksamen Verbraucher Assoziationen mit der Gesundheit ausgelöst werden.
Für Apotal-Kund:innen werde durch die gewählte Bezeichnung in den Reitern ein Bezug zur Gesundheit hergestellt, so die Richter. Durch die gleichzeitige Einordnung des beworbenen Produktes in diese Kategorien „Immunsystem“ und „Abwehrkräfte“ wird zumindest mittelbar zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei diesem zum Kauf angebotenen Nahrungsergänzungsmittel um „etwas Gutes" für die Abwehrkräfte und damit für das Immunsystem handelt. Anderenfalls wäre dieses Produkt von der Versandapotheke nicht dieser Kategorie zugeordnet worden“, heißt es im Urteil. Auch wenn der Versender nicht mit dem Claim „Zur Stärkung des Immunsystems“, wirbt, gehe der Betrachter aufgrund der Präsentation genau davon aus. Und der normal informierte Verbraucher werde in der Regel kaum das Feld „erforderliche Pflichtangaben“ anklicken und den zweiseitigen Text bis zum Ende durchlesen.
Interessanter Nebenaspekt: Die Richter sehen auch in dem vergleichsweise hohen Preis des Produkts einen Gesundheitsbezug. 36,75 Euro für 120 Kapseln – bei einem solchen finanziellen Aufwand würden die Kund:innen einen Zusammenhang zwischen der Einnahme und einer Verbesserung des Gesundheitszustandes vermuten. Das LG betont aber, seine Entscheidung nicht auf diese Überlegung gestützt zu haben.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, Apotal kann und wird wohl auch in Berufung gehen. Die Grundsatzfrage betrifft viele Apotheker, die unter anderem ihre Nahrungsergänzungsmittel unter Rubriken wie „Immunschwäche“ anbieten. Die Wettbewerbszentrale will aber zunächst in diesem Fall eine gerichtliche Klärung herbeiführen und bis dahin keine weiteren Abmahnungen in dieser Sache aussprechen.
APOTHEKE ADHOC Debatte