Kommentar

Im Notfall ohne Apotheke Nadine Tröbitscher, 24.07.2024 15:06 Uhr

Mit der Notfallreform zeigt Lauterbach einmal mehr, dass es auch ohne Apotheken geht. Foto: Andreas Domma
Berlin - 

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will das Gesundheitssystem auf Vordermann bringen und legt einen Sprint bei den Gesetzesvorhaben hin. Ein Beispiel ist die Notfallreform, bei der auch Apotheken eine Rolle spielen – aber wirklich gebraucht werden sie nicht. Damit zeigt Lauterbach einmal mehr, dass es aus seiner Sicht auch ohne Apotheken geht, kommentiert Nadine Tröbitscher.

Lauterbach plant Integrierte Notfallzentren. Diese sollen an ausgewählten Krankenhäusern aufgebaut werden und aus einer Notaufnahme und einer Notdienstpraxis bestehen. Außerdem sollen die Patient:innen direkt vor Ort und ohne Umweg mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten versorgt werden.

Gut gemeint, aber nicht gut gemacht – wenn es um die Einbindung der Apotheken geht. Denn die entsprechenden Verträge, die zwischen der zuständige Kassenärztlichen Vereinigung gemeinsam mit dem Träger des Krankenhauses und dem Apothekeninhaber geschlossen werden müssen, sind nicht nur mit einem bürokratischen Aufwand verbunden, sondern verursachen Kosten von mehr als einer Million Euro – 500.000 Euro auf Seite der Krankenhausträger und 577.000 Euro müssen die KVen aufbringen. Und auch die Apotheken werden zur Kasse gebeten, damit sie die Versorgungspauschale überhaupt abrechnen können – für die Etablierung von Meldewegen muss der Deutsche Apothekerverband (DAV) weitere 500.000 Euro aus dem Nacht- und Notdienstfonds (NNF) locker machen.

Alles in allem sieht es so aus, dass man weder die zweite Offizin noch die Notfallapotheke braucht. Warum Geld in die Hand nehmen, wenn Ärzt:innen der Notfallpraxis selbst Arzneimittel und apothekenpflichtige Medizinprodukte abgeben dürfen? Das ist nämlich zulässig, wenn kein entsprechender Vertrag mit einer Apotheke geschlossen wurde. Dann können behandelnde Ärzt:innen die Patient:innen im Akutfall selbst versorgen. Zwar ist die Abgabe beschränkt „auf eine zur Überbrückung benötigten Menge für längstens drei Tage, soweit im unmittelbaren Anschluss an die Behandlung ein Wochenende oder ein Feiertag folgt“. Aber das ist im Grunde immer noch einfacher, als einen Vertrag zu schließen. Die Arzneimittel kann die Notfallpraxis schließlich über den Sprechstundenbedarf bestellen.

Außerdem sind Patient:innen nicht verpflichtet, die notfallpraxisversorgende Apotheke aufzusuchen, denn die freie Apothekenwahl muss erhalten bleiben. Immerhin an der hält Lauterbach fest. Das Grundrecht der Bürger:innen auf einen Approbierten in der Apotheke lässt den Gesundheitsminister kalt, wie an seiner Idee der Apotheken ohne Apotheker deutlich wird.

Lauterbach hatte bereits vor zwei Jahren eine Welle losgetreten, als er im „Praxischeck“ der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) seine Idee unterbreitete, den Ärzten die Abgabe von bestimmten Arzneimitteln im Notdienst zu erlauben. Seitdem köchelt das Thema auf kleiner Flamme. Jetzt knüpft er daran an und weitet das Dispensierrecht aus. Eine Frage der Zeit, bis es ganz fällt? Mehr Beinfreiheit für die Ärzte auf Kosten der Apotheken, die nur mitmachen dürfen, wenn die Vertragspartner sie mitspielen lassen.