DocMorris muss draußen bleiben Alexander Müller, 18.01.2017 09:21 Uhr
DocMorris-Chef Olaf Heinrich wird vorerst nicht in den Fachausschuss Außenwirtschaft der Industrie- und Handelskammer Aachen (IHK) berufen. Die Vollversammlung entschied sich gestern Abend, das Thema zu vertagen. So hatte es auch der IHK-Vorstand empfohlen, nachdem die die Personalie im Vorfeld zu heißen Debatten geführt hatte.
Die ehrenamtlichen Mitglieder beraten die hauptamtlichen Mitarbeiter der IHK. Heinrich wurde aufgrund seiner Expertise schon im vergangenen August für eine solche Aufgabe vorgeschlagen. Doch die Vertreterin der Apotheker, Gabriele Neumann, hatte sich die Berufung gestemmt. Schließlich beschloss die IHK, die Sache zurückzustellen, bis der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Sachen Rx-Boni entschieden habe. Daher rückte die Berufung gestern automatisch wieder auf die Tagesordnung – trotz erneuter Proteste im Vorfeld.
Etwa 20 Minuten wurde Neumann zufolge über die Berufung Heinrichs diskutiert. „Vielen ist der Kosmos Apotheke gar nicht bekannt“, berichtet die Apothekerin. Sie selbst habe immer wieder die Bedeutung der Apotheke vor Ort und auch der Preisbindung erklärt. Viele Mitglieder hätten das Konkurrenzverhältnis rein wirtschaftlich gesehen und den Apothekern vorgeschlagen, von den Rx-Boni zu lernen. „Ich musste immer wieder erklären, dass wir das nicht dürfen und dass auch die Verbraucher davon profitieren, dass ein Medikament im Notdienst immer und überall dasselbe kostet“, so Neumann.
Am Ende habe die Vollversammlung in der Sache mit deutlicher Mehrheit entschieden, berichtet die Apothekerin: Der Vorstand soll – auch mit Neumann – zunächst weiter diskutieren. Formal wurde die Personalie zwar vertagt, de facto dürfte sie damit aber vom Tisch sein. Heinrich war gestern auch gar nicht erst zur Vollversammlung erschienen. Das wäre unter anderen Umständen üblich gewesen, wenn die Berufung in einen Fachausschuss unstreitig ist.
Einen Schub hatte die Debatte im Vorfeld erfahren, nachdem sich Lutz Geilenkirchen, Chef des privaten Großhändlers Otto Geilenkirchen, in einem offenen Brief an IHK-Präsident Bert Wirtz gewandt hatte. Die Apotheken hatten das Schreiben in Kopie erhalten – was bei der IHK nicht besonders gut angekommen war. Geilenkirchen schrieb, die Personalie müsse auf Apotheker als IHK-Pflichtmitglieder „wie ein Schlag ins Gesicht wirken“.
Bei der IHK hatte man das Ganze nicht so dramatisch eingeschätzt. Von außen betrachtet sind die Apotheker nur eine von vielen Branchen, die mit der Konkurrenz des Versandhandels zu schaffen haben. Eine Delegation der IHK war sogar schon in Heerlen zu Besuch, um sich vor Ort ein Bild von der Arbeit der Versandapotheke zu machen. Heinrich wäre im Ausschuss für Außenwirtschaft zudem kaum im Apothekenbereich involviert gewesen.
Bei der IHK Aachen hat DocMorris zudem kein so schlechtes Image wie unter Apothekern. Die Versandapotheke ist in der Region stark engagiert, sei es in Sportsponsoring oder sozialen Projekten. Nicht nur der Briefkasten von DocMorris steht in Aachen, etwa die Hälfte der 600 Mitarbeiter der Versandapotheke lebt IHK-Geschäftsführer Michael Bayer zufolge in der Region Aachen. Zudem wird Heinrich als engagierter und umtriebiger Unternehmer geschätzt.
Nicht zuletzt wegen der Debatte um seine Person lief die Vollversammlung bei der IHK gestern eine volle Stunde länger als angesetzt. Erst gegen 19 Uhr wurde die Veranstaltung beendet. Beim anschließenden Umtrumk habe sie noch zahlreiche Gespräche zum Thema Apotheke geführt, berichtet Neumann. „Ich hatte schon das Gefühl, dass es den ein oder anderen Aha-Effekt gab", so die Apothekerin.
Aber es ging bei der IHK bei Weitem nicht nur um das Verhältnis der Apotheker zu DocMorris. Diskutiert wurde etwa auch über Industriestandorte und das AKW Tihange, das knapp 60 Kilometer von Aachen entfernt hinter der belgischen Grenze liegt.
Nach einem Vortrag von Professor Dr. Hans Josef Allelein vom Lehrstuhl für Reaktorsicherheit und -technik der RWTH Aachen verabschiedete die IHK eine Resolution: Die Regierung möge sich dafür einsetzen, dass in Tihange – entsprechend den in Deutschland geltenden Standards – eine filterbetrieben Druckentlastung installiert wird, um die Sicherheit zu erhöhen. Bis dahin solle das Atomkraftwerk stillgelegt werden.