Kommentar

Iges-Gutachten: Ohne Rat und Tat

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Berlin -

Pünktlich zu Beginn der Beratungen des Apothekenstärkungsgesetzes (VOASG) liegt das Gutachten zur Wirkung der Preisbindung und von Rx-Boni auf dem Tisch der Politiker. Wer sich davon Ratschläge oder gar Blaupausen für die Gesetzgebung versprochen hat, dürfte enttäuscht sein. Die Gutachter von Iges und DIW haben der Regierungskoalition die politische Arbeit im Umgang mit den Apotheken nicht abgenommen. Dass das Gutachten das Bundesgesundheitsministerium (BMG) in seinem Ziel weiterbringt, gegenüber Brüssel Argumente für das geplante Rx-Boniverbot zu sammeln, darf bezweifelt werden. Das Gutachten ist als Bestandsaufnahme und Analyse okay, lässt aber den Leser hinsichtlich der praktischen Konsequenzen ratlos zurück, kommentiert Lothar Klein.

Um auf die Idee zu kommen, dass ein Rx-Boni-Verbot eine Preisschlacht im OTC-Markt auslösen könnte, muss man nicht erst teure Gutachten schreiben lassen. Das haben die Lobbyisten von DocMorris & Co. den Politikern bei jeder Gelegenheit bereits als Drohung in die Ohren geflüstert. Überraschungen enthält das Gutachten also keine, es ist weder Nachschlagewerk für die anstehende politische Beratung im Parlament noch lässt sich für die Lobbyisten unterschiedlicher Couleur daraus Honig saugen. Es ist, wie es ist, die Ungewissheit über die Zukunft ist groß und dass das E-Rezept ein „Gamechanger“ sein wird, ist mittlerweile genauso eine Binsenweisheit wie keiner weiß, wohin sich Blatt wenden wird. „Da steh' ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor!“, hätte wahrscheinlich Johann Wolfgang von Goethe nach der Lektüre geseufzt.

Also sind jetzt wieder die Realpolitiker gefragt: Welche Arzneimittelversorgung will sich Deutschland leisten? Wie viele Apotheken an der Ecke sollen überleben? Sind 15.000 genug? Solche Fragen muss jetzt das Parlament mit dem VOASG entscheiden. Und dabei sind die Karten aufseiten der Abda gar nicht mal so schlecht gemischt – besser jedenfalls als zum Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachtens.

In der Corona-Krise haben die Präsenzapotheken ihren Wert für die Gesundheitsversorgung der Bürger unter Beweis gestellt. Und dabei geht es um viel mehr als die flächendeckende Arzneimittelversorgung. Die Apotheker haben sich als erste Anlaufstelle für Hilfe- und Informationssuchende und durch das Coronavirus verunsicherte Menschen hervorgetan. Weil viele die Arztpraxen gemieden haben, haben sie in den Apotheken Rat gesucht und selbstgemachtes Desinfektionsmittel erhalten, dass anderenorts längst ausverkauft war. Mit ihrem Botendienst haben die Apotheken Risikopatienten versorgt, die ihr Haus oder ihre Wohnung nicht verlassen sollten. Deutschland ist auch deshalb besser durch die Corona-Krise gekommen als viele andere Länder.

Das hat das politische Standing der Apotheke gestärkt, mehr jedenfalls als viele Abda-Kampagnen bewerkstelligen können. Noch besser allerdings wäre es, wenn die Apothekerschaft ihre Chance bei Grippeschutzimpfungen beherzter nutzen würde. Es geht doch nicht darum, den Ärzten Arbeit wegzunehmen oder über die rote Linie der Heilberufe zu schielen. Es geht darum, das brüchige Fundament für die Zukunft des Berufsstands als selbstständiger Heilberuf zu festigen. Etwas mehr Mut hätte den Apotheker in der anstehenden politischen Auseinandersetzung gutgetan. Seit langer Zeit warten die Gesundheitspolitiker auf konkrete Vorschläger der Abda für neue pharmazeutische Dienstleistungen.

In der jetzt beginnenden VOASG-Beratung geht es ja nicht nur um die Entfristung des neuen Botendiensthonorars. Die sonstigen Vereinfachungen wie bei der Abgabe von Rabattarzneimitteln haben den Apothekern wieder mehr Handlungsspielraum gegeben. Aber: Wer Handlungsspielraum einfordert, muss auch selbst handeln, wenn er wie beim Thema Grippeschutzimpfungen dazu die Möglichkeit erhält. Solche Gelegenheiten darf man nicht verspielen.

Bis Ende Oktober hat die Abda nun Zeit und Gelegenheit, bei der VOASG-Beratung für ihre Anliegen zu lobbyieren. Die Ohren der Gesundheitspolitiker sind offener denn je. Die Chancen für Abda-Präsident Friedemann Schmidt stehen gut, mit einem vorzeigbaren Ergebnis seine Amtszeit abzuschließen. Auch weil das Thema Rx-Boni-Verbot an Bedeutung eingebüßt hat. Mit dem E-Rezept verändert sich das Marktgeschehen. DocMorris will keine Rx-Boni mehr gewähren.

Die heraufziehende Plattformökonomie wird für die Apotheken zur eigentlichen Herausforderung. Die ausländischen Versender taugen nicht mehr als Feindbild Nummer 1 des Berufsstandes. Auf den Plattformen bilden sich neue Dienstleistungsketten von den Krankenkassen über die Patienten, die ärztliche Diagnose, die Therapie bis hin zur Arzneimittel-, Heil- und Hilfsmittelversorgung. Hier müssen die Apotheken ihre Zukunft suchen und finden und mit den neuen pharmazeutischen Dienstleistungen im VOASG dafür die Grundlage schaffen – dabei kann kein Rx-Boni-Verbot helfen.

 

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