Kuchen für Zypries Sarah Sonntag, 06.08.2017 09:34 Uhr
Es ist schon kurz nach Mitternacht und ich wälze mich auf meinem viel zu schmalen Klappbett im Nachtdienstzimmer hin und her. Ich traue mich kaum einzuschlafen, was, wenn doch jemand kommt und ich die Klingel nicht höre? Es ist immer das Gleiche im Notdienst. Und dann noch diese vielen Gedanken – Existenzängste, Rabattverträge, Retaxationen, Rx-Versandverbot und, ja, mein Geburtstag. Ein Frühstück soll es geben – vielleicht mit einem besonderen Gast?
Das ist die Idee! Ich springe auf und laufe in die Rezeptur, da steht auch schon Max, meine treue und scharfsinnige Fantaschale. „Was ist denn mit dir los?“, fragt Max irritiert. Und so erzähle ich von meiner Idee. Ich habe doch nächste Woche Geburtstag und da kommen zum Frühstück wieder alle an einen Tisch. Und weil noch ein Platz frei ist und die Politiker sich angesichts der Wahlen volksnah zeigen und auf Apothekerfang sind, wollte ich Brigitte Zypries einladen, die war doch auch bei DocMorris.
„Und was willst du servieren?“, fragte Max skeptisch. „Die Holländer haben sich das bestimmt einige Tausend Euro kosten lassen, das ist bei dir nicht drin.“ Stimmt! Was tischt man denn da auf? Champagner? Saure Gurken? Mit Senf gefüllte Pfannkuchen? Oder die Wahrheit garniert mit nackten Zahlen, wie es um uns öffentliche Apotheken bestellt ist? „Beim Apothekensterben vergeht einem ohnehin der Appetit“, zischte Max. „Und was soll das überhaupt bringen? Zu einem Rx-Versandverbot kannst du die Dame ohnehin nicht bekehren. An ihrer Meinung, es sei befremdlich, dass eine Sparte vom boomenden Internethandel völlig ausgenommen werden solle, kann nicht einmal dein Schokoladenkuchen etwas rütteln“.
Zugegeben, vielleicht ist meine Denke naiv, aber ich wollte doch nichts unversucht lassen, gehört zu werden. Ich schicke dennoch einen Kuchen! Mehl, Butter, Eier und Kakaopulver, ich schüttete alles in die Fantaschale und rührte kräftig. Den fertigen Teig schob ich in den Trockenschrank und schaute beim Backen zu. „Das wird doch nichts“, zischte Max. „Was wenn Zypries kommt, ihr hier bei Wasser und Brot sitzt und du alle zwei Minuten nach vorne musst, weil die Offizin voll steht und du gar keine Zeit zum Reden hast?“
Max hatte recht, ich habe keine Zeit für ein Frühstück, weder mit meinen Mitarbeitern noch mit irgendwelchen Politikern. Ich schaffte es ja bei dem normalen Tagesgeschäft kaum in mein Brot zu beißen und wenn doch klingelt es und ich muss nach vorne. „Guten Appetit“ schallt es mir dann von den Kunden entgegen. Aber was soll ich tun, der Fachkräftemangel hat auch mich fest im Griff.
Aber wie wäre es wohl, wenn die Politiker sehen, was tatsächlich in der öffentlichen Apotheke jeden Tag geleistet wird? Welcher Punk hier jeden Tag abgeht, womit wir alltäglich zu kämpfen haben. Es geht doch nicht mehr nur darum, wie toll es ist, dass wir Rezepturen herstellen und wie sehr das die Herren und Frauen Politiker fasziniert.
Nur einen Tag in der Offizin an unserer Seite, das ist Realität. Das ist das Leben, fernab vom Schreibtisch und viel Gerede. Nur eine Diskussion über den Lieferengpass, nur eine über den Rabattvertrag und nur eine darüber, dass ich Schuld bin, wenn Oma Schneider stirbt, sollten die Politiker mitbekommen. Vielleicht kann die Wahrheit zum Einlenken bewegen, dann gibt es beim nächsten Besuch auch Lachs und Champagner.