„Ich habe keine Angst, der letzte deutsche Versandapotheker zu sein“ Alexander Müller, 18.10.2018 15:22 Uhr
Die Konsolidierung geht weiter: Zur Rose kauft Medpex. Christian Buse, Chef der Versandapotheke Mycare und Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Versandapotheken (BVDVA), sprach mit APOTHEKE ADHOC über den Deal. Die Dynamik des Marktes hat ihn noch nicht dazu gebracht, sein Geschäft zu verkaufen. Trotzdem wünscht er sich vom deutschen Gesetzgeber, dass er den Apothekern nicht länger Sand in die Augen streut und ein Rx-Versandverbot verspricht, sondern endlich für faire Rahmenbedingungen sorgt.
ADHOC: Jetzt hat auch Medpex an Zur Rose verkauft. Beunruhigt Sie die Entwicklung?
BUSE: Als BVDVA bewerten wir solche Übernahmen nie im Einzelnen. Grundsätzlich muss man aber feststellen, dass eine Seite klare Rahmenbedingungen hat – Stichwort Rx-Boni. Und wenn die andere Seite permanent in unberechenbaren Gewässern segelt, ist so eine Entscheidung schon nachvollziehbar. Aber nochmal: Das ist keine Einschätzung des Einzelfalls, zu dem ich auch die Details überhaupt nicht kennen kann.
ADHOC: Fühlen Sie sich vom deutschen Gesetzgeber im Stich gelassen?
BUSE: Natürlich befinden wir uns in einer sehr schwierigen Situation. Die Schieflage im Markt haben wir mehrfach betont. Die Versender aus den Niederlanden gewähren ja nicht erst seit dem EuGH-Urteil Boni auf verschreibungspflichtige Arzneimittel, sondern seit Jahren. Nur, es bringt nichts mehr, jetzt noch weiter über ein Rx-Versandverbot zu diskutieren. Wir müssen nach vorne schauen und da passt ein Rx-Versandverbot aus vielen Gründen nicht in die Zeit.
ADHOC: Sie haben Minister Spahn auf dem Deutschen Apothekertag auch so verstanden?
BUSE: Der Minister will in den nächsten sechs Monaten Klarheit schaffen. Den Apothekern wurde doch seit zwei Jahren Sand in die Augen gestreut. Es macht wirklich keinen Sinn, unendlich zu lamentieren, ob der EuGH einmal anders entscheiden wird. Es gibt keine neuen Zahlen zum Apothekensterben, es wurde keine einzige Notapotheke eingerichtet aufgrund eines Versorgungsdefizits. Der EuGH müsste also eine vollkommen impulsive Entscheidung fällen. Im Gegenteil: Mit dem Wissen von heute hätte der EuGH 2004 den Rx-Versandhandel gar nicht erst in die Hände der Mitgliedstaaten gelegt. Heute haben wir 14 Jahre gute Erfahrungen damit gemacht.
ADHOC: Was erwarten Sie jetzt vom Gesetzgeber?
BUSE: Klare Rahmenbedingungen. Wir wären wirklich froh, wenn jetzt endlich etwas entschieden würde. Die Situation ist sehr unbefriedigend.
ADHOC: Sind deutsche Versandapotheken noch konkurrenzfähig?
BUSE: Die Kollegen haben doch nicht verkauft, weil ihre Geschäfte schlecht gelaufen sind. Außerdem hat es mehr Übernahmen innerhalb Deutschlands gegeben, wenn auch zugegebenermaßen nicht so große. Trotzdem zeigt das aus meiner Sicht doch, dass der Standort nicht komplett schlecht ist.
ADHOC: Sie denken nicht über einen Verkauf nach? Angeblich haben die Chinesen bei Ihnen angeklopft.
BUSE: Natürlich bekommen auch wir immer wieder Anfragen, ob Interesse an einem Verkauf besteht. Aber das sind Firmen, die das im Auftrag erledigen und da steht ja nicht Huawei oder DocMorris drauf. Aber ich habe immer Nein gesagt und wir sind mit niemandem im Gespräch.
ADHOC: Die gebotenen Preise scheinen derzeit nicht so schlecht zu sein.
BUSE: Das will ich im Einzelfall nicht bewerten. Am Ende gibt es einen Käufer und einen Verkäufer, die sich verständigt haben. Es ist aber doch nicht grundsätzlich das unternehmerische Ziel in Familienbetrieben, sein Geschäft zu verkaufen. Man hat doch auch eine familiäre Bindung und eher den Wunsch, den Betrieb an einen Nachfolger abzugeben. Ein Verkauf erwägt man normalerweise, wenn sich das Marktumfeld drastisch verändert.
ADHOC: Und glauben Sie nicht, dass Ihre großen Mitbewerber das aktuell genau so einschätzen und lieber noch schnell Kasse machen?
BUSE: Es gibt noch eine gute Gruppe größerer Versandapotheken im BVDVA. Ich habe keine Angst, als letzte deutsche Versandapotheke alleine zu existieren.
ADHOC: Haben Sie bei Mycare denn in den vergangenen zwei Jahren größere Investitionen gewagt?
BUSE: Man muss permanent investieren. Allein im Bereich Digitalisierung sind das jedes Jahr siebenstellige Beträge, das kann man mit einer stationären Apotheke gar nicht vergleichen.
ADHOC: Wie sieht es mit Förderungen aus?
BUSE: Wir haben keine Probleme mit Bewilligungen unserer Projekte. Das ist immer zweckgebunden und wenn Sie Ihren Standort verlagern, müssen Sie die Fördergelder zurückzahlen. Inwiefern das in den von Ihnen angesprochenen Übernahmen der Fall ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich glaube aber auch nicht, dass solche Investitionen kriegsentscheidend sind bei den aktuellen Übernahmen.
ADHOC: Was ist denn aus Ihrer Sicht der Grund für die aktuelle Dynamik?
BUSE: Das Börsenumfeld. Sie haben mit der Shop-Apotheke und DocMorris/Zur Rose zwei große Anbieter, die börsennotiert sind, mit allen Pros und Contras. Da gehört es dazu, eine Wachstumsstory zu erzählen und den Forderungen der Anleger nachzukommen.
ADHOC: Also sind die aktuellen Kaufpreise doch zu hoch?
BUSE: Nein, die Kaufpreise sind angemessen. Man kauft ja nicht nur Umsatz, sondern auch Know-How. Und das haben Apo-Rot und Medpex in den vergangenen Jahren zweifellos aufgebaut. Ich kenne auch die Ziele von Zur Rose nicht. Aber wenn es das Ziel ist, eine Milliarde Euro Umsatz zu machen, dann sind sie doch jetzt ein paar Schritte weiter.